Vertrau deinem Herzen
Müll bringen?“
Aaron machte die Hintertür auf. Bandit schoss als Erster raus, und obwohl er normalerweise ein sehr ruhiger Hund war, fing er sofort an zu bellen.
„Ruhe, Bandit, du weckst noch die Nachbarn auf!“, rief Kate, während sie den beiden nachlief.
Ein Blitz flammte auf und blendete sie. Irgendetwas – ein Mikrofon – wurde ihr entgegengehalten, und ein vielstimmiger Chor an Fragen füllte die Luft. Es klang wie ein Gesang in einer fremden Sprache: Miss Livingston, oder ist es Mrs? Sind Sie verheiratet? Ist das Sergeant Harris’ heimliches Kind? Wie lange kennen Sie ihn? Hat er die Armee wirklich verlassen? Wir haben nur ein paar Fragen ...
Kate ließ den Müllsack fallen. Nasses Kaffeepulver und Eierschalen verteilten sich auf dem Asphalt. Sie schnappte sich Aarons Hand, und wie erstarrt standen sie da, verängstigt wie Bambi und seine Mutter im Fadenkreuz der Jäger. In einem Anfall von Panik rief sie verzweifelt nach dem Hund. Die blitzenden Kameras nahmen ihren offenen Mund auf, die ungekämmten Haare, den abgewetzten Bademantel.
Ein breitschultriger Reporter mit einem Diktiergerät in der Hand löste sich aus der Menge. „Kommen Sie schon, meine Liebe! Erzählen Sie uns was. Wir verdienen hiermit unser Geld.“
„Sie sind einem großen Fehler aufgesessen“, schaffte sie zu sagen. „Es gibt hier keine Geschichte. Hier gibt es rein gar nichts.“
„Quatsch“, widersprach der Typ. „Jeder hat eine Geschichte.“
Sie zuckte unter seinen Worten zusammen und zog Aaron näher an sich. „Vielleicht. Aber meine ist keine, die die Menschen lesen wollen. Also gehen Sie jetzt bitte. Stellen Sie echten Berühmtheiten nach und lassen mich in mein Leben zurückkehren.“
Zum Glück kam Bandit auf ihr Kommando zu ihr. Sie huschte ins Haus zurück und zog Aaron mit sich. Nachdem sie die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, lehnte sie sich dagegen und versuchte, ihr wild hämmerndes Herz zu beruhigen.
„Alles okay mit dir?“, fragte sie Aaron.
„Machst du Witze?“ Er grinste und trat ans Fenster, um herauszulinsen. „Das war unglaublich.“
Kate schaute zu dem Telefon auf dem Tisch und überlegte, die Polizei zu rufen. Doch dann zog sie einfach nur alle Gardinen zu und befahl Aaron, im Haus zu bleiben, bis es an der Zeit war, die letzten Papiere für Callie bei der Behörde einzureichen und sie an der Schule anzumelden. Kate war nervös, sie nahm Umwege zu ihren Zielen und schaute alle paar Sekunden in den Rückspiegel, ob sie verfolgt wurden.
Die frühmorgendliche Attacke vor ihrem Haus war ein Vorgeschmack auf das gewesen, was JD monatelang ertragen hatte, das wusste sie nun. Es erklärte auch, wieso er sein Leben in Washington, D. C, hinter sich gelassen und vor der Öffentlichkeit geflohen war. Aber es erklärte nicht, wieso er auch sie verlassen hatte.
„Mom, was ist außerehelich?“, fragte Aaron.
„Warum willst du das wissen?“ Sie war unaufmerksam. Es war eine lange Woche gewesen. JD hatte sich nicht gemeldet. Ihr Herz war in Aufruhr und ihr Leben ein einziges Chaos.
„Weil in der Star Tracks steht, dass du mich so geboren hast.“ Er drehte die Zeitung zu ihr um. „Genau hier. Da steht: ,Katherine Livingston hat ein außereheliches Kind’.“
„Gib mir das!“ Sie riss ihm die Zeitschrift aus den Händen und warf sie in den Müll. „Sieh dir so was gar nicht erst an!
Ihr war schlecht. Das war alles völlig außer Kontrolle geraten. Was für eine harte Lektion! dachte sie. Sie hatte immer davon geträumt, eine Reporterin zu sein, die Geschichten hinterherjagte – aufregenden, manchmal sogar wichtigen Geschichten. Jetzt wusste sie, wie schrecklich es sich anfühlte, sich selbst im Bademantel in der Zeitung zu sehen, die Hand ihres verwirrt dreinblickenden Sohnes umklammernd.
Fremde riefen sie an, schickten ihr E-Mails, tauchten unvermittelt vor ihrer Haustür auf. Die meisten waren harmlose Neugierige, aber einige machten ihr wirklich Angst, wie der Kerl, der sie gefragt hatte, ob sie ihm eine ihrer Höschen schenken würde. Reporter gruben alles Mögliche über sie aus: Sie hatte ein uneheliches Kind. Ihr Großvater war in den Sechzigern ein Radikaler gewesen. Sie war von ihrem letzten Arbeitgeber gefeuert worden.
Am schlimmsten von allem aber war der Anruf von der Fürsorge. Ein Internetblog spekulierte, Callie sei drogenabhängig, genau wie Harris’ Mutter. Kate war außer sich, aber leider auch vollkommen machtlos. Sie wusste, wenn sie sich dazu äußern
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