Vertrau deinem Herzen
auf ein besseres Leben nach Kalifornien aufgemacht hatte, hatte JD bei der U. S. Army unterschrieben. Sie versprachen ihm einen guten Job, ein festes Einkommen, ein abwechslungsreiches Leben mit Reisen und Abenteuern und außerdem Geld für seine Ausbildung.
Manchmal wünschte JD sich, er hätte das Kleingedruckte aufmerksamer gelesen. Er absolvierte das härteste Training, das die Army zu bieten hatte. Nach achtzehn Monaten unvorstellbarer Höllenqualen war er zum Special Forces Medic geworden, einem hochqualifizierten Elite-Traumaspezialisten.
In Port Angeles, so weit weg vom Rest der Welt, bog er in die First Street ein und fand sofort einen Parkplatz. Er ging zum Bootsausrüster, um seine lange Liste abzuarbeiten – Teer und Spachtel, Lack, Epoxidharz, Sperrholz für den Bootsbau, Fiberglaskleber. Als Sam ihm das Haus für den Sommer angeboten hatte, hatte er JD auch gedrängt, die kleine Jolle zu benutzen, ein hölzernes Ruderboot, das Sams verstorbener Vater gebaut hatte. Er hatte erzählt, wie er und sein Vater Stunde um Stunde in dem Boot verbracht hatten, als Sam noch ein kleiner Junge gewesen war. In seiner Erinnerung war es sicherlich noch genauso perfekt wie damals. Aber es war nicht perfekt. Nicht einmal nah dran. JD hatte das Bootshaus in Spinnenweben gehüllt vorgefunden, und das Boot hatte kieloben und halb verrottet darin gelegen. Irgendwelche Nagetiere – Streifenhörnchen oder Waschbären – hatten sich darunter ein Nest gebaut. Auch wenn JD nicht die geringste Ahnung vom Bootsbau hatte, hatte er auf der Stelle entschieden, dieses Boot zu seinem Projekt zu machen. Er würde die Jolle so restaurieren, dass Sam, wenn er Ende des Sommers mit seiner Familie an den See käme, ein einsatzbereites Boot vorfände.
Nachdem er seine Einkäufe im Pick-up verstaut hatte, beschloss er, noch schnell nach seinem Postfach zu sehen. Sam schickte ihm gewissenhaft seine gesamte Post von Washington, D. C, hierher. Er hatte freie Hand, die Post vorher zu öffnen und die Briefe wegzuschmeißen, die seltsam aussahen – was in letzter Zeit beinahe auf seine gesamte Post zutraf. Von Einladungen zu Gebetskreisen bis zu unerwünschten Heiratsanträgen erhielt JD die seltsamsten Zusendungen. Er wurde mit Fotos von Frauen und hin und wieder sogar Männern überflutet, die ihn unbedingt treffen wollten. Ihre Bilder waren teilweise mitleiderregend, teilweise anstößig, teilweise richtiggehend Furcht einflößend. Ganz zu Anfang hatte er den Fehler gemacht, einen Vertrag mit Maurice Williams zu unterzeichnen. Der Agent hatte JD versprochen, seine Interessen zu wahren und ihn durch den Sumpf des öffentlichen Lebens zu geleiten. Stattdessen hatte er jedoch versucht, JD davon zu überzeugen, Berater für einen Film über sein Leben zu werden – und das, was als „der Vorfall“ bekannt geworden war. Sam zufolge war Williams außer sich über das Verschwinden von JD. Er hatte sogar angedroht, ihn zu verklagen, was Sam und JD höchst amüsant fanden.
Als er die First Street hinunterging, überlegte er kurz, die Straßenseite zu wechseln; er wollte eigentlich lieber nicht zu nah am Rekrutierungsbüro der U. S. Army vorbeigehen. Doch er widerstand dem Drang. Penny und Sam hatten ihm versichert, dass er nicht erkannt werden würde. Trotzdem war es seltsam und surreal, sein eigenes Gesicht auf den ausliegenden Broschüren und dem im Fenster aufgehängten Poster zu sehen. Ohne seine Erlaubnis – denn die brauchte die Army nicht – war er der Vorzeigesoldat des Jahres geworden. Das Plakat im Schaufenster war einen Meter hoch, und darauf war er mit seinem offiziellen Foto und der Überschrift „Echte Helden für eine echte Welt“ abgebildet.
Ja, das war JD, ganz sicher. Er war so echt, dass ein nicht autorisierter Film über ihn in die Kinos kommen würde. So echt, dass er Angebote bekam, für einen Campingausrüster oder Sonnenbrillen Werbung zu machen. Der ebenfalls nicht autorisierten Biografie nach, die nur wenige Wochen nach dem Attentat erschienen war, war er „Amerikas Lieblingsheld – einer, der nur seinen Job macht“‘.
Tina hatte mit dem Herausgeber dieses Buches zusammengearbeitet. Genau wie Janet. Jessica Lynch hatte einen Pulitzer-Preisträger als Co-Autor bekommen, aber nicht so JD. Sein sogenannter „Biograf“ Ned Flagg war ein gescheiterter Journalist mit einer Vorliebe für Erfundenes und einer sehr schnellen Internetverbindung. Das Buch war heftig beworben worden und sensationell genug, um einen
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