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Vertrau deinem Herzen

Vertrau deinem Herzen

Titel: Vertrau deinem Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Wiggs
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Callie wohl tun wollte, entschied sich aber, mit anderen Fragen anzufangen. Callie sah nicht so aus, als wenn sie beinahe achtzehn wäre. Da waren diese unterschwellige Weichheit in ihrem Gesicht und der gejagte Ausdruck in ihren Augen, die sie wesentlich jünger aussehen ließen. „Rede mit mir, Callie“, sagte sie. „Ich werde dich nicht den Behörden übergeben. Wo kommst du her?“
    Callie schüttelte das Laken aus. Die Bewegung ließ goldene Staubflöckchen in der Luft tanzen, als wenn das Haus langsam erwachte. Der Duft von frisch gewaschener Wäsche erfüllte den Raum.
    „Kalifornien“, sagte sie.
    „Das grenzt es schon mal ein“, kommentierte Kate. „Würdest du mir sagen, warum du in Pflegefamilien gelebt hast?“
    „Weil meine Mutter Mitglied dieser gruseligen Kommune war, in der Nähe von Big Sur in Kalifornien.“ Sie bot die Informationen ohne Widerstand an. „Es sollte so eine Art autarkes Utopia sein.“ Callie musste Kates erstaunten Blick bemerkt haben. „Sie haben uns dort zu Hause unterrichtet, und einige von uns haben tatsächlich eine ganz ordentliche Ausbildung bekommen. Bruder Timothy – er war der Gründer – hatte ein Berkeley-Diplom in Kultureller Anthropologie.“ Sie öffnete die Zedernholzkommode am Kopfende des Bettes. „Ist diese Überdecke okay?“
    Kate nickte und half ihr, die Decke auszubreiten, ein farbiges Familienerbstück, das von den Livingston-Frauen vor einigen Generationen gestickt worden war.
    „Also, dieser Bruder Timothy?“, hakte Kate nach, als sie Callies Ablehnung spürte.
    „Er ist niemandes Bruder, und ich bin mir sicher, Berkeley schämt sich inzwischen, mit ihm in Zusammenhang gebracht zu werden. Er sitzt wegen Kindesmissbrauchs.“
    Kates Haut fing an zu jucken. „Bist du eines seiner Opfer?“, fragte sie.
    Callie war zwar etwas angespannt, arbeitete aber sehr schnell und machte das Bett so perfekt wie im besten Hotel. „Als Kind war es lustig, da zu leben. Wir liefen herum und schwammen im Meer und hatten auch ein paar echt gute Lehrer. Aber als wir in die Pubertät kamen – peng. Wir durften keine Kinder mehr sein. Bruder Timothy nannte uns, die jungen Mädchen, seine Engel.“
    Kate hielt im Bettenmachen inne. Sie setzte sich auf die Matratze und bedeutete Callie, sich neben sie zu setzen. „Hat deine Mutter nicht ...“ Sie zögerte, wusste, dass sie ihre Worte sorgfältig wählen musste. „Meinst du, dass die Erwachsenen in der Kommune davon wussten?“
    Callie schnaubte und schüttelte den Kopf. „Keine der Mütter rührte auch nur den kleinen Finger, um ihn aufzuhalten. Sie waren alle wie unter seinem Bann oder so. Er überzeugte sie, dass wir ihre Geschenke an ihn waren. Wenn ein Mädchen hysterisch wurde und sich wehrte, sorgten die Mütter dafür, dass es trotzdem zu Bruder Timothy ging. Sie taten alles, was er von ihnen verlangte. Sie waren wie Stepford-Hippies, wissen Sie?“
    „Das ist ja ein Albtraum!“, sagte Kate.
    „Da sagen Sie was.“
    Kate fiel auf, dass Callie ihre Frage, ob sie ein Opfer von Bruder Timothy gewesen war, nicht beantwortet hatte. „Gibt es die Kommune noch?“
    „Nein. Ein Mädchen namens Gemma O’Donnell hat uns vor ungefähr drei Jahren alle gerettet.“ Callie schaute zu Boden. „Gemma hat immer wieder versucht, jemandem zu erzählen, was da vor sich geht. Und ab und zu kam jemand vom Sozialamt oder der Schulbehörde vorbei und hat sich umgesehen, aber sie haben nie etwas gefunden. Für einen Außenstehenden sah es aus wie das Paradies – Gemüsegärten, eine Blumenfarm, unsere eigenen Milchkühe. Niemand hörte Gemma zu, bis sie schließlich einen Weg fand, wie man ihr zuhörte.“ Callie holte tief Luft. „Sie ging zum Jugendamt von Big Sur und drohte, sich umzubringen, wenn sie ihr nicht glaubten.“ Callies Stimme senkte sich zu einem leisen Flüstern. „Sie war schwanger von Bruder Timothy. Sie haben ihn abgeholt, und ich habe Gemma nie wiedergesehen. Ich weiß nicht, was mit ihr oder ihrem Baby passiert ist.“
    Kate legte eine Hand auf die Schulter des Mädchens. Callie zuckte zusammen, und Kate nahm die Hand wieder weg. „Das tut mir leid. Ich hoffe, dass es für dich danach besser wurde.“
    „Für einige von uns schon“, sagte sie. „Für mich auch, zumindest eine Weile. Aber in der letzten Familie, zu der man mich gebracht hatte, na ja, da war es so schlimm, dass ich abhauen musste.“
    „Callie, wo ist deine Mutter?“
    Callie senkte den Blick, zupfte an ihren Fingernägeln.

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