Vertrau deinem Herzen
sie nicht einmal. Aber es war bemerkenswert, wie viel er in ihre erste Begegnung hineininterpretierte. „Bei ihr wohnt außerdem ein junges Mädchen“, sagte er seinem Freund. „Weißt du irgendetwas über eine Callie Evans?“
„Der Name sagt mir nichts.“ Sam machte eine kurze Pause, um seinen Kindern zu sagen, dass sie ihre Hände aus dem Aquarium nehmen sollten. „Hast du schon mal was von Waiden Livingston gehört?“
„Nein.“
„Er ist Kates Großvater. Er war eine Art Aktivist, eine Ikone der Sechziger.“
„Aha“, sagte JD. „Und?“
„Also weiß sie, dass auch eine Berühmtheit nur mit Wasser kocht, genau wie der Rest der Menschheit.“
„Ich werde es ihr auf keinen Fall sagen.“ Alleine der Gedanke rief böse Erinnerungen in ihm hervor. Nach Wochen seelischer und körperlicher Therapie hatte er sich darauf gefreut, entlassen zu werden – sowohl aus der Army als auch aus dem Krankenhaus. Er hatte ein neues Leben für sich geplant. Medizin zu studieren war ein alter Traum, der durch seine Begegnung mit dem Tod wieder lebendig geworden war. Er hatte immer gedacht, dass er eines Tages Arzt werden würde ... irgendwann. Der Vorfall mit Muldoon war Mahnung gewesen, wie schlecht es war, seine Ziele auf später zu verschieben. Aber als er endlich entlassen war, war nicht alles vorbei. Im Gegenteil: Seine Probleme fingen erst richtig an.
„Du kannst dich nicht für immer verstecken.“
„Ich hoffe, dass ich das auch nicht muss.“ JD stieg aus dem Truck und wanderte auf dem Parkplatz auf und ab. Eine vierköpfige Familie ging direkt an ihm vorbei, ohne ihn überhaupt wahrzunehmen. Die Frau schob einen Kinderwagen, während der Mann einen kleinen Jungen auf den Schultern trug. Sie lachten, und der Kleine klatschte begeistert in die Hände.
JD hatte gesehen, was für fürchterliche Dinge Familien sich gegenseitig antaten, und er wusste, dass Liebe sich in tödliches Gift verwandeln konnte. Trotzdem gab es da etwas in ihm, das nicht totzukriegen war. Ein Wunsch, eine Hoffnung, eine Sehnsucht, eines Tages auch mehr zu sein als nur er selbst, nämlich ein Teil einer Familie.
„Du wirst nicht mehr lange dort bleiben müssen“, versicherte ihm Sam. „Deine fünfzehn Minuten Ruhm sind fast vorüber.“
„Gut.“
„Bald wird es Jordon-Donovan-Harris-Actionfiguren bei eBay geben.“
„Jetzt fängst du langsam an, mir auf die Nerven zu gehen.“
Sam lachte. „Genieß einfach den Sommer, JD! Brauchst du noch was?“
„Nein, es ist alles bestens. In meinen wildesten Träumen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass es einen Ort wie diesen gibt.“
„Ist schon ganz schön, was?“, sagte Sam. „So, und jetzt hör auf, dir Gedanken über die Zukunft zu machen. Alles wird gut, okay?“
Die Veränderung in seiner Stimme war so subtil, dass nur JD, der Sam wie einen Bruder kannte, sie bemerkte. „Okay“, sagte er und ging weiter vor seinem Pick-up auf und ab. „Was ist los?“
„Du, äh, erinnerst dich an Max Glaser?“
„Natürlich, ja.“ Glaser war das erste Opfer gewesen, das er und Sam an der Front gemeinsam behandelt hatten. „Warum fragst du?“ Er riss die Beifahrertür auf und blätterte durch seine Post. Wut kochte in ihm hoch, als er ein Klatschmagazin aus einem der Umschläge zog. Den Titel zierte eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von drei jungen Männer: JD, Sam und einen Marine, den er aus dem Schussfeld gezogen hatte. Das Bild war vor Jahren in Afghanistan aufgenommen worden. „Was zum Teufel ist das?“
„Ah“, machte Sam. „Ich sehe, du hast den neuesten Klatsch gefunden.“
„Meine Güte, Sam!“, stieß JD ungläubig aus.
„Das meiste, was sie veröffentlichen, ist reine Fiktion. Aber ich dachte, auf das hier willst du sicher mal einen Blick werfen.“
Mit gerunzelter Stirn schlug JD die Zeitschrift auf und überflog den Artikel. Er war mit weiteren Fotos und einigen fett hervorgehobenen Zitaten geschmückt. „Das ist Glasers Geschichte, oder?“ Max Glaser war ein Marine, dem Sam und er vor Jahren das Leben gerettet hatten. Sie hatten ihn danach nie wiedergesehen. Aber offensichtlich reichte es aus, von Jordon Donovan Harris gerettet worden zu sein, um eine Titelstory zu bekommen.
„Äh“, unterbrach Sam seine Gedanken. „Bist du noch da?“
„Ja.“ JD schüttelte die Erinnerungen ab und legte die Zeitschrift zur Seite. Er hatte das Bedürfnis, sich die Hände an der Hose abzuwischen, sein Gehirn mit Seife auszuwaschen. Er nahm einen tiefen
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