Vertrau deinem Herzen
wandern. Nein, dachte sie. Nein. Ein Kreuzritter in der Familie ist genug. Sie musste erst einmal ihr eigenes Leben in den Griff bekommen, bevor sie anfing, die Welt zu retten.
Sie klappte das Album zu und wischte mit einem weichen Tuch über den Ledereinband. Ihr Großvater hatte ein wichtiges Leben geführt. Genau das hatte sie auch tun wollen, mit all ihren großen Karriereplänen. Doch die Dinge waren anders gelaufen.
Genau in diesem Moment stürzte Aaron durch die Tür und hüpfte wild vor dem Schuhregal umher bei dem Versuch, seine Schuhe auszuziehen. „Mom!“, schrie er. „Hey, Mom!“
„Ich bin hier“, sagte sie. „Du musst nicht so schreien.“
„Okay. Ich habe ein Fossil gefunden.“ Er kam zu ihr gerannt und zeigte ihr einen Stein, in den eine käferförmige Muschel geprägt war.
„Tatsächlich. Toll“, lobte Kate ihn. „Wo hast du es gefunden?“
„Im Wald.“ Er hielt es ihr hin. „Du kannst es behalten, wenn du magst“, sagte er. „Ist ein Geschenk.“
„Danke schön.“ Sie stellte das Album wieder ins Regal. Ich mache etwas Wichtiges in meinem Leben! dachte sie und nahm das Geschenk ihres Sohnes in die Hand. Was könnte wichtiger sein als das hier?
8. KAPITEL
K ate Livingston“, sagte JD, als Sam sich am Telefon meldete. „Was kannst du mir über sie erzählen?“
Er war in den Ort gefahren, um ein paar Sachen fürs Fliegenfischen zu kaufen und seine Post abzuholen. Den ganzen Tag nichts zu tun zu haben hielt ihn ganz schön auf Trab.
„Kate Livingston aus dem großen Haus am Ende der Straße?“ Sam stieß einen leisen Pfiff aus. „Ich habe seit Jahren nicht mehr an sie gedacht. Hast du sie getroffen?“
„Ja. Also, was weißt du über sie?“
Ein gedämpftes Rascheln drang durch den Hörer, als Sam sich bewegte, vermutlich um außer Hörweite seiner Frau und seiner Kinder zu gelangen. „Dass ich mal in sie verliebt war“, gab er mit einem angestrengten Flüstern zu.
„Wie kommt’s?“ JD grinste und schüttelte den Kopf. Sam hatte ein großes Herz und überhaupt keine Angst vor ebenso großen Gefühlen. Seit JD ihn kannte, hatte er sich ein Dutzend mal ver- und entliebt, war mit sorgloser Hingabe aus den höchsten Höhen des Glücks in die tiefsten Tiefen der Verzweiflung gefallen. Bis er schlussendlich vor ein paar Jahren Penny kennengelernt hatte und ihr sofort verfallen war. Mit ihr, hatte er JD verkündet, habe er endlich seine Seelenverwandte gefunden. Er behielt sein Versprechen bei, überschüttete sie und die Kinder mit Aufmerksamkeit und Liebe und blühte unter den Sorgen und Freuden des Familienlebens förmlich auf.
„Siebte Klasse“, gab er zu. „Sie war ein Jahr jünger. Ich war höllisch in sie verknallt. Als hormongesteuerter Teenager von zwölf Jahren konnte ihr Anblick im Bikini mich in ein sofortiges Schockkoma fallen lassen. Mein Gott, sie war aber auch süß! Rote Haare, Sommersprossen. Später, als wir in der Highschool waren ...“ Er stieß einen erneuten leisen Pfiff aus.
„Das beantwortet meine Frage nicht.“ Bilder von einer erwachsenen Kate im Bikini stahlen sich in JDs Kopf.
„Verdammt! Kate Livingston. Ich war verrückt nach ihr, jeden Sommer aufs Neue. Ist sie immer noch so heiß?“
Oh ja, dachte JD. „Du bist verheiratet.“
„Und habe auch vor, das zu bleiben. Trotzdem. Ist sie’s?“
„Sie ist ...“ JD schaute aus dem Fenster des Pick-ups. Spiegelglatt, glänzend und tiefblau lag die Juan-de-Fuca-Straße vor ihm, nur getüpfelt von Frachtern, die aufs offene Meer hinausfuhren. Er suchte das passende Wort für Kate. „Verdammt heiß trifft es immer noch ganz gut.“
Ein weiterer Pfiff. „Mann! Ich habe seit Jahren nicht an sie gedacht“, wiederholte sein Freund.
„Ich habe mir ihre Kühlbox geliehen. Lange Geschichte. Sie hat ein Kind. Scheint so um die zehn Jahre alt zu sein.“
„Ehemann?“
„Ich hab keinen gesehen.“
„Wenn sie immer noch Livingston heißt, ist sie vielleicht nicht verheiratet. Sie stammt aus einer sehr, sehr alten Familie vom See. Ihr Anwesen ist legendär. Riesig. Seit fast einem Jahrhundert im Familienbesitz. Die Familie hat ihr Vermögen während der Prohibition gemacht, mit Holz und kanadischem Whiskey. Politisch nicht unbedingt korrekt, aber es hat sie eine Weile über Wasser gehalten, wie man so sagt. Ich glaube, die nachfolgenden Generationen haben es geschafft, das gesamte Geld durchzubringen, aber das Haus am See haben sie immer behalten. Ich habe den Kontakt zu Kate
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