Vertrau mir deine Sehnsucht an (Der romantische Liebesroman) (German Edition)
Sie war abgestumpft, hatte weder den Morgen noch den Abend, weder den Sommer noch den Winter bewusst wahr genommen.
Plötzlich war alles anders. Sie merkte, dass der Morgen anders duftete als der Abend, dass es im Moment Frühsommer war und die Vögel im Garten fröhlich zwitscherten und überall in den Bäumen und Sträuchern ihre Nester hatten.
Was war nur mit ihr geschehen? Sie hatte keine Antwort auf die Frage, keine Erklärung für ihre Empfindungen. Noch nie zuvor hatte sie so gefühlt, war sie gleichzeitig so glücklich und so unglücklich gewesen.
"Stefanie." Langsam hob Dr. Horbach die rechte Hand und legte sie der jungen Frau an die Wange. Es war der etwas hilflose Versuch, zu trösten und Hoffnung zu geben. "Bitte rufen Sie mich, wenn Sie Hilfe brauchen, gleich welcher Art."
"Danke, das werde ich", antwortete Stefanie. Dann drehte sie sich hastig um und verließ beinahe fluchtartig das Sprechzimmer. An das Rezept, das unterschrieben auf dem Schreibtisch liegen geblieben war, dachte sie nicht mehr.
Michael entdeckte es, als langsam die Starre von ihm gewichen und er an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt war. Beinahe liebevoll nahm er es an sich und steckte es in seine Brieftasche. Er würde es ihr bringen, nahm er sich fest vor. Nicht heute, aber vielleicht morgen.
* * *
Was war nur mit ihr los? Melanie stand am Fenster und schaute verträumt in ihren Garten hinunter. Immer wieder wanderte ihr Blick hinüber zum Nachbargrundstück, und dabei verspürte sie ein ungewohntes Kribbeln in der Magengrube. Hätte sie es nicht besser gewusst, dann würde sie vermuten, verliebt zu sein wie ein junges Mädchen. Aber das war natürlich Unsinn.
Unruhig ging sie in ihrem Arbeitszimmer auf und ab. Es war früher das Schlafzimmer ihrer Tante gewesen. Melanie hatte die Möbel ausgeräumt und auf den Speicher gestellt. Sie wegzuwerfen hatte sie nicht übers Herz gebracht.
In ihrem Kopf war dauernd die Frage, weshalb Martin heute nicht in den Garten gekommen war. Die Sonne schien warm vom Himmel, und es war fast schon Sünde, an solch einem Tag nicht nach draußen zu gehen. Auch auf dem Balkon hatte sie ihn nicht gesehen. Ob es ihm nicht gut ging? Vielleicht war auch Stefanie nicht da, um ihn nach draußen zu bringen. Aber sie hätte etwas sagen können, dann hätte sie, Melanie, sich um ihn gekümmert.
Schließlich hielt sie es vor Nervosität nicht mehr im Haus aus. Tim war mit seinen neuen Freunden auf den Fußballplatz gegangen, und nun war sie ganz allein hier und hatte unendlich Zeit für ihre Gedanken, was sie eigentlich gar nicht wollte.
Wundervoller Duft man verschiedenen Blüten empfing sie, als sie nach draußen trat. Einen Moment lang hielt sie sich schützend die Hand über die Augen, weil die Sonne sie blendete. Dann schaute sie sich um und überlegte, was sie tun könnte. Ihr Blick fiel auf das Buch, das noch auf dem Tisch neben dem kleinen Teich lag. Sie hatte vor einigen Tagen hier die Tisch und die bequemen Stühle aufgestellt, weil Tim das so gewollt hatte.
Das Buch lockte, sie wollte wissen, wie es weiter ging. Also setzte sie sich auf einen der Stühle und begann zu le-sen. Doch immer wieder wurde ihr Gedankenfluss unterbrochen und sie musste ihren Kopf ein wenig drehen, damit sie zum Nachbargrundstück sehen konnte. Martin war noch immer nicht da, auch nach einer Stunde kam er nicht nach draußen.
Langsam begann Melanie zu resignieren. Heute würde er wohl nicht mehr in den Garten kommen. Dafür war es bald Zeit fürs Abendessen. Tim sollte um achtzehn Uhr da sein, und bis dahin hatte sie gerade noch eine halbe Stunde, um das Essen für sie beide zu richten.
Gerade wollte Melanie aufstehen, da wurde sie von zwei kräftigen Armen niedergedrückt. Ihr Herz blieb fast stehen vor Entsetzen. Sie wollte sich umdrehen, ihrem Angreifer ins Gesicht sehen, aber das war nicht möglich. Die Hände hielten sie wie ein Schraubstock.
Nur einen Mann kannte sie, der solch eine Kraft hatte und auch den nötigen Zorn, um so zu handeln. "Torsten?", fragte sie vorsichtig und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. "Bist du das, Torsten?"
"Wo ist Tim?"
"Du hast nicht angerufen vorher", wagte sie einzuwenden und spürte gleich, wie sein Griff noch fester wurde. "Du musst vorher anrufen, dann ist er da. Aber er will dich nicht sehen", fügte sie beinahe
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