Vertrau mir! - Thriller
Narbe am Mundwinkel. Er betrachtete stirnrunzelnd den Bildschirm - auf den Luke nicht sehen konnte -, so als hätte er gerade schlechte Nachrichten empfangen.
Luke ging auf ihn zu. »Hallo, ich bin Eric Lindoe, ich habe für heute einen Flug gechartert.«
»Bei wem?«, fragte der Mann mit einem schiefen Lächeln.
Erstes Hindernis. »Mr. Drummond.«
»Hallo, Mr. Lindoe, bei mir sind Sie richtig.« Er streckte ihm die Hand entgegen. »Frankie Wu.«
Luke hoffte, dass seine Hand trocken war, als er sie Wu schüttelte. »Das ist der zweite Passagier, Aubrey Perrault.«
»Hallo.«
Wu schüttelte Aubrey die Hand. »Sie zittern ja, Ms. Perrault. Haben Sie Flugangst? Das müssen Sie nicht.«
»Ganz schrecklich«, antwortete Aubrey mit einem Blick zu Luke.
»Meine Frau auch. Noch mehr Angst hat sie allerdings, wenn sie im Auto neben mir sitzt. Bei mir sind Sie jedenfalls in guten Händen.«
Aubrey brachte ein Lächeln zustande. »Ich fühle mich schon ein bisschen besser.«
»Wir sind aufgetankt und startklar, Mr. Lindoe.«
Wo zum Teufel fliegen wir hin?, hätte er am liebsten gefragt. Aber das wäre unklug gewesen.
»Haben Sie nicht mehr Gepäck?«, fragte Wu mit einem Blick auf ihre billigen Rucksäcke. Sie hatten zuvor noch schnell ein paar Dinge zum Anziehen gekauft, sonst nichts. Luke hatte eine der Pistolen, den Laptop und das Geld aus Erics Haus im Rucksack. Erics Schlüsselring klimperte in seiner Hosentasche.
»Wir reisen mit leichtem Gepäck«, sagte Aubrey.
»Das sollten Sie mal meiner Frau erklären.« Wu schaltete den Computer aus und kritzelte eine Nachricht auf das Klemmbrett.
»Ich hoffe nur, ich habe die richtigen Kleider eingepackt«, sagte Aubrey. Gut gemacht, dachte Luke.
»Das Wetter in New York soll ganz gut sein. In Paris dürfte es morgen aber regnen.«
New York. Paris. Nicht ein Reiseziel, sondern zwei. Konnte es sein, dass sich ihnen in New York jemand anschloss, der sie nach Frankreich begleitete? Luke spürte Panik in sich hochkommen - weder er noch Aubrey hatten Reisepässe bei sich. Aus Paris würde wohl nichts werden.
Paris. Die Stadt, in der sich Jane aufhielt, die Drahtzieherin hinter ihren Entführungen. Er sah Aubrey an; sie nickte kaum merklich.
Als er, Aubrey und Wu auf das Rollfeld hinausgingen, wo bereits das Flugzeug wartete, dachte er: Tu’s nicht. Dreh dich um und lauf. Aubrey hat Recht, es ist Wahnsinn.
Er schritt weiter auf das Flugzeug zu.
Wenn er jetzt wegrannte, würde er nie erfahren, warum der Mann, der für ihn wie ein zweiter Vater gewesen war, ihn so hintergangen hatte. Er würde nie wissen, wer hinter ihm her war; er würde gezwungen sein, ein gehetztes Leben zu führen, in ständiger Angst und von der Polizei als Mörder gesucht. Nein, er durfte nicht länger fliehen. Dieses luxuriöse, teure Flugzeug würde ihn dorthin bringen, wo die Fäden dieser Geschichte zusammenliefen.
Der Anblick der Maschine schnürte ihm die Kehle zu: ein Privatjet, so wie der, in dem sein Vater gestorben war. Augenblicklich wirbelten all die schmerzlichen Erinnerungen durch seinen Kopf; der verregnete Abend in Washington, der Abschied von seinem Vater, der Duft von Old Spice in seiner Nase, als er ihn umarmte; seine Mutter, die am nächsten Morgen mit rot verweinten Augen am Frühstückstisch saß, allein mit ihrem Kummer, weil sie Luke nicht hatte wecken wollen; die Briefe von den verschiedenen Universitäten, wo sein Vater Gastdozenturen gehabt hatte, in Kairo, Bonn, London; die Fernsehberichte von dem Bergungsschiff vor der Küste von North Carolina, das das Wrack eine Woche nach
dem Unglück aus der grauen Tiefe zog. Während sie die Lobreden über seinen Vater hörten - was für ein wunderbarer Lehrer er gewesen sei -, hielt seine Mutter seine Hand so fest, dass er ihren Puls spürte.
Und Henry, der sich ihm auf dem Empfang vorstellte, einen Teller Hähnchen mit Salat in der Hand, die andere ausgestreckt, um ihm die Hand zu schütteln. Er sagte ihm, wie sehr er seinen Vater bewundert habe; wie sehr er ihn vermissen würde. Als ob ihn irgendjemand mehr vermissen könnte als Luke und seine Mutter.
Luke fragte sich plötzlich, ob sein Leben eine ganz andere Wendung genommen hätte, wenn er nicht drei Tage nach der Beerdigung weggelaufen wäre. Er hatte es Henry leichtgemacht, sich in die Familie einzuschleichen. Wäre er zu Hause geblieben, so hätte sich seine Mutter vielleicht nie mit Henry Shawcross angefreundet.
Sie folgten Frankie Wu ins Flugzeug. Der Learjet
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