Vertrau mir! - Thriller
wirtschaftlichen Aufschwung der Innenstadt profitiert hatte. Die Häuser hier waren älter, die Geschäfte bescheidener. Der Asphalt war mit Schlaglöchern übersät, eine Folge der hohen Luftfeuchtigkeit.
Sie kamen zu einem kleinen Parkplatz. »Da rein«, forderte Eric ihn auf.
Luke tat es und parkte auf Erics Anweisung direkt an der Straße. Von hier aus konnten sie die Straße überblicken. Diese Bürgersteige waren nicht so voll mit Leuten, die nach Hause oder zu irgendeiner Abendunterhaltung wollten. Luke sah ein altes Paar; die beiden schlenderten langsam mit ihren Einkaufstüten dahin; eine junge Frau eilte vorüber, während sie wild gestikulierend in ihr Handy plauderte; eine ältere Frau, stark geschminkt und für ihr Alter zu jugendlich angezogen, tauchte mit einem gezwungenen Lächeln auf. Weiter vorne an der Straße gab es eine kleine Bar, ein Obdachlosenheim, das von einer kirchlichen Wohltätigkeitsorganisation geführt wurde, eine Weinhandlung, einen Gebrauchtkleiderladen, ein Tex-Mex-Restaurant mit Neonschild draußen. Die Schaufenster wirkten abgenutzt und alt.
»Und jetzt?«, fragte Luke.
»Wir warten.«
»Worauf?« Würde jemand kommen, um sie zu treffen? Um Luke mitzunehmen? Das war vielleicht seine letzte Chance zur Flucht. Aber er konnte unmöglich aus dem Wagen springen, ohne dass Eric auf ihn schoss oder ihn mit dem Messer erwischte. »Was hast du vor?«
Eric sah erneut auf seine Uhr und zog nervös an seiner Lippe. »Alles wird gut. Vertrau mir.«
Zwanzig Minuten verstrichen; die Sonne ging unter, und mit der Nacht tauchten die Sterne am dunklen Himmel auf.
Erics Pistole war da, wo sie schon die längste Zeit gewesen war - zwischen Lukes Rippen. Lukes Beine schmerzten nach dem langen Sitzen. Sein Magen knurrte vor Hunger, und er kämpfte gegen die Übelkeit an, die von der Angst kam. Er hatte bereits beschlossen, dass er, falls er kotzen musste, auf Erics verdammtes Gesicht zielen würde. Er würde kotzen und dann um sein Leben rennen. Ein wahrhaft heldenhafter Plan. Er fürchtete, langsam die Kontrolle über sich zu verlieren.
Er schloss die Augen und fragte sich, ob diese beginnende Gewissheit des nahenden Endes dasselbe Gefühl war, was sein Vater in den Momenten empfunden hatte, bevor er starb, falls Dad überhaupt mitbekommen hatte, dass das Flugzeug zur tödlichen Falle wurde.
Lukes Hand fand die Medaille unter seinem Hemd und schloss sich um sie. Er dachte an das Gespräch, das er mit seinem Vater geführt hatte, als seine Mutter im Schlafsack lag und schlief und er und sein Dad am ruhig flackernden Lagerfeuer saßen.
»Ich will dir das hier geben, mein Junge, trag es immer bei dir«, hatte sein Vater zu ihm gesagt. »Immer. Es wird dich vor Gefahren bewahren.«
»Dad. Im Ernst? Du bist doch gar nicht gläubig.« Sein Vater gehörte den Episkopalen an, aber er ging nicht in die Kirche, höchstens zu Ostern oder Weihnachten, wenn Lukes Mom darauf bestand.
»Im Schützenloch gibt es keine Atheisten, Luke«, hatte Warren Dantry geantwortet.
»Wir zelten hier, das ist kein Schützenloch«, erwiderte Luke. Er hob die Medaille an den Lichtschein des Feuers: ein Engel ohne Gesicht, mit kräftigen Flügeln, einem Schwert und einem Schild in der Hand.
»Der Erzengel Michael steht für Mut und Stärke und dafür,
dass Ordnung und Vernunft über Chaos und Gewalt triumphieren. Er ist etwas Besonderes, weil er in der christlichen, der jüdischen und der islamischen Tradition vorkommt. Er ist ein Held für die ganze Welt - das Gute überwindet das Böse.«
»Das Böse. Wie Darth Vader?« Er erinnerte sich nicht mehr an die Geschichte vom heiligen Michael. Und welches Böse hatte er besiegt?
»Schlimmer als Darth Vader«, hatte sein Vater geantwortet. »Der heilige Michael wird dich beschützen, Luke. Wenn nicht jetzt, dann irgendwann einmal.«
»Beschützen wovor?«
»Vor allem Finsteren, das dir im Leben begegnet. Vielleicht bist du eines Tages gezwungen zu kämpfen, Luke. Dann denk an den Erzengel Michael. Denk an diese Stärke, und du weißt, dass du gewinnen kannst.«
»Köpfchen ist besser als Kraft, Dad.«
Sein Dad lächelte ihn an. »Ja. Aber zusammen sind sie unschlagbar.«
»Danke, Dad.« Luke mochte eigentlich überhaupt keinen Schmuck, er fand es ein doofes Geschenk und steckte es in die Tasche. Sein Vater sagte nichts mehr und stocherte mit einem Stock im Feuer.
Einen Monat später war sein Vater tot, und Luke trug die Medaille seitdem jeden Tag.
»Was machst
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