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Vertrau mir! - Thriller

Vertrau mir! - Thriller

Titel: Vertrau mir! - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erschüttert; er hasste es, so unvorbereitet zu sein. Er würde mit niemandem mehr sprechen, außer mit Mouser, Luke oder dem Entführer, falls dieser seine Forderung wiederholte.
    Im Fernsehen hatte er einen kurzen Bericht über die Katastrophe in Ripley gesehen. Kühl und sachlich hatte er registriert, dass der Regen das Chlor aus der Luft gewaschen hatte. Doch die Panik im Herzen Amerikas war entfacht. Die Politiker verlangten mit großen Worten, der Güterverkehr im ländlichen Amerika müsse sicher sein, ebenso die Chemiefabriken, in denen Chlor gelagert wurde. Natürlich ging es ihnen nur darum, sich selbst abzusichern, dachte er. Das war es, was diese Ärsche wirklich interessierte.
    Aber sie alle - seine gegenwärtigen und zukünftigen Klienten - wollten vor allem wissen, was als Nächstes drohte. In seinen Arbeiten, die er in den vergangenen Wochen veröffentlicht hatte, führte er verschiedene mögliche Anschläge aus; manche orientierten sich am Beispiel von Anschlägen im Ausland, andere an den geheimen Ambitionen der Night Road.

    Sein Erfolgsrezept war recht einfach. Er sagte die Anschläge voraus, sie trafen ein - und alle mächtigen Leute in Washington hörten auf ihn. Das war der Einfluss, den er wollte. Seine fast unheimlich detaillierte Arbeit über einen möglichen Chloranschlag war erst vergangenen Monat in einflussreichen Hauptstadtkreisen zirkuliert; seine Voicemail war voll mit Anfragen von potenziellen Klienten seines Thinktanks. Hochrangige Vertreter aus der Politik, aber auch aus der Privatwirtschaft. Alle wollten sie seine Meinung darüber hören, was die Zukunft bringen würde, wo die Terroristen als Nächstes zuschlagen könnten.
    Es hätte sein großer Moment werden sollen. Aber Lukes Situation hatte ihm alles verdorben. Die Leute, die seinen Rat suchten, erfuhren ohne Zweifel auch, was mit Luke passiert war. Und das bedeutete, dass er sich von Luke distanzieren und schnell seine nächsten Arbeiten veröffentlichen musste, um wie gehabt als der herausragende Experte in Sachen Terrorismus zu gelten. Dann würden sie ihn weiter respektieren. Er würde ganz nah an den Schalthebeln der Macht sein. Die Berichterstattung über Luke hätte bald ein Ende. Und das Land dürfte schon bald ganz andere Sorgen haben.
    Henry erinnerte sich schmerzlich an einen Zauberer, den seine Mutter zur Party an seinem sechsten Geburtstag eingeladen hatte. Ich will keinen Zauberer, Mom, hatte er gesagt, und ihre Antwort hatte ihn zutiefst getroffen: Henry, Schatz, aber dann kommen die anderen Kinder vielleicht gern zu deiner Party. Sie hatte es ganz unbedacht, ohne böse Absicht gesagt; sie war einfach schonungslos ehrlich und kümmerte sich nicht darum, ob sie anderen wehtat. Henry hatte nur das Letztere geerbt. Und so hatte er sich auf den gepflegten Rasen gesetzt, zusammen mit Jungen aus der Nachbarschaft, die ihn nicht besonders mochten und von denen er nicht wusste, wie er es
erreichen konnte, dass sie ihn mochten. Während die anderen Kinder, die nur wegen der Show und wegen des Schokoladenkuchens gekommen waren, begeistert zusahen, richtete Henry seinen Blick dorthin, wo es der junge Amateurzauberer nicht wollte: auf die Hand in seiner Tasche, auf die Münze zwischen den Fingern, auf das nicht zerschnittene Blatt Papier, das er zusammengerollt im Jackenärmel versteckt hatte. Er hatte gesehen, dass es keine Zauberei gab, nur Ablenkung.
    An jenem Tag hatte er etwas Wichtiges gelernt.
    Nun saß Henry im Arbeitszimmer seines Hauses in Arlington, Virginia, vor ihm stand das Schachbrett, das Luke ihm vor fünf Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, die Figuren mitten in einer umkämpften Partie. Henry stellte sich vor, wie Luke ihm zusammengesunken gegenübersaß, wie er es immer tat, wenn er ins Spiel versunken war, wie er sich auf den linken Ellbogen stützte, die Hand in den braunen Haaren vergraben, während er nachdachte und dabei irgendeine Rockmelodie summte, die Henry nicht kannte. Henry spielte mit Schwarz gegen Weiß, er spielte Lukes Part in aggressivem Stil, während seine eigenen Züge vorsichtig und zaghaft waren. Lukes Läufer und Springer kreisten ihn bedrohlich ein, und seine weiße Dame verfolgte Henrys schwarzen König. Die Niederlage war nur noch drei Züge entfernt.
    Genau das, was du verdienst, dachte Henry. Zu verlieren, und zwar ordentlich. So wie du Barbara verloren hast. Und du wirst auch Luke verlieren. Es ist sogar schon passiert.
    Henry stand vom Schachbrett auf und ging nach

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