Vertrau mir! - Thriller
zwischen Drohung und Freundlichkeit. Henry behielt sein ausdrucksloses Gesicht bei.
»Ich hab das Klicken der Figuren auf dem Brett vom Flur aus gehört«, sagte Drummond.
»Das Spielen hilft mir, dass ich nicht ständig an meinen Sohn denken muss.« Henry räusperte sich.
»Deinen Stiefsohn, meinst du wohl.« Drummond griff nach einer der Schachfiguren - Lukes König - und begutachtete ihn, so als bewundere er, wie kunstfertig er gemacht war. »Du hast schon immer gern mit dir selbst gespielt.«
Henry verschränkte die Arme. »Du hast gesagt, Allen Clifford ist der Mann, der erschossen wurde. Seit wann war er ein Penner?«
»War er auch nicht. Er hat nur so getan.«
»So getan?«
»Allen Clifford wollte sich mit einem Kerl treffen, der Verbindungen zu Extremisten hat und Informationen verkaufen wollte.«
»Informationen?«, fragte Henry mit schwacher Stimme.
»Ja. Es gibt dafür einen Schwarzmarkt, weißt du.«
»Und Allen Clifford hat sich als Penner verkleidet?«
»Das hat der Typ verlangt, mit dem er sich treffen wollte. Der Mann wollte das Ganze im Freien stattfinden lassen, wie wenn sich zwei völlig harmlose Leute auf der Straße unterhalten. Er war sehr nervös. Ich schätze, er hatte Angst, dass er in einem Raum in die Enge getrieben würde oder dass jemand das Gespräch aufnimmt.«
Ein Extremist in Houston, der Informationen verkaufte. Henry war beunruhigt, der Typ könnte auch seinen Namen verkaufen. Aber nein. Die Einzigen in der Night Road, die Henrys Namen kannten, waren Snow und Mouser und Eric. Wer sollte es sein? »Woher weißt du das alles? Für wen hat Clifford gearbeitet? Für wen arbeitest du?«
»Für wen? Oh, ich hab dich vermisst, Shameless. Clifford und ich, wir sind freiberuflich tätig. Er hat mir von der Operation erzählt, bevor er hinging. Er wollte es allein durchziehen, er wollte den Kerl nicht vertreiben. Aber dein Stiefsohn hat offensichtlich von dem Treffen gewusst. Ich möchte wissen, was er so gemacht hat, seit er seinen Dad verloren hat und« - Drummond verzog das Gesicht - »dich als Ersatz bekommen hat.«
»Luke ist harmlos. Er ist ein ganz normaler Psychologiestudent.«
»Harmlos? Das sieht die Polizei von Houston anders. Aber ich weiß mehr als die Polizei. Ich habe mir über seinen Internet-Account
angeguckt, was er alles im Web getrieben hat, Shameless.«
»Hör auf, mich so zu nennen. Du klingst, als wärst du noch auf der Highschool.«
»Du bist ganz schön frech heute, was? Schamlos wie immer, unser Shameless. Der große politische Prophet, der Freud der Terroristenseele, der Mann, der behauptet, die Terroristen besser zu kennen als sie sich selbst.« Drummond beförderte den Tisch mit einem Fußtritt beiseite, dass die Schachfiguren über den Fußboden purzelten. Er setzte Henry das Messer an die Kehle. »Ich nenne dich genau so, wie es zu dir passt. Die Internet-Aufzeichnungen deines Stiefsohns belegen, dass er Hunderte von Webseiten besucht hat, auf denen sich Radikale tummeln. Er hat sich über diese Webseiten mit ihnen ausgetauscht; dazu hat er jede Menge E-Mail-Adressen benutzt und ihnen ziemlich extreme Botschaften geschickt. Warum?«
»Das war für eine Arbeit … es ging dabei um die Psychologie von Extremisten. Das Thema hat ihn fasziniert … seit Warrens Tod.« Das stimmte tatsächlich, und Henry blickte fest in Drummonds eisblaue Augen. Sie erinnerten ihn an das harte Blau des Himmels über einem Berggipfel.
»Dieser Umgang mit Extremisten - das soll für eine wissenschaftliche Arbeit gewesen sein? Nein, das glaube ich nicht. Er hat solche Datenmassen zusammengetragen, so etwas macht man nicht für sein Studium. Ich denke, er ist selbst einer von diesen Leuten.«
»Nein. Es war nicht für sein Studium. Er arbeitet an einem Buch«, versuchte er sich herauszureden. Er musste Drummond überzeugen, sonst würde der Kerl Luke finden und töten, daran zweifelte Henry keine Sekunde. »Er hat’s mir selbst erzählt.«
»Hast du das Buch gesehen oder gelesen?«
»Nein.«
»Also könnte er gelogen haben.« Er nahm das Messer von Henrys Kehle und ließ es über seine Wimpern streichen. Henry biss sich auf die Lippe. »Weiß er von uns, Henry? Von dir und mir und Clifford … und von seinem Dad?«
»Nein, ich schwör’s dir. Luke hat keine Ahnung vom Book Club, das schwöre ich dir. Ich hab ihm nie etwas gesagt. Und selbst wenn ich’s getan hätte, würde er nie im Leben auf die Idee kommen, dass wir seine Feinde sind …« Er zögerte einen
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