Vertrau mir! - Thriller
noch sauber und gepflegt. In den Gärten und an den Ecken standen Leute, manche gelangweilt, manche lachend und ins Gespräch vertieft. Sie fuhren an drei Jungen im Teenager-Alter vorbei, die sie prüfend und gleichzeitig mit einstudiertem Desinteresse ansahen. Luke stellte den Wagen vor dem alten Haus der Lindoes ab. Das Gras in dem kleinen Garten hätte wieder einmal gemäht werden müssen. Die Fenster waren dunkel. Das Haus wirkte unter all den anderen irgendwie deplatziert.
»Eric hat das Haus für seine Eltern abbezahlt, als er richtig gut verdiente«, sagte sie.
Luke dachte sich, wenn er schon so gut verdient hatte, dann hätte er seinen Eltern ein schöneres Haus kaufen können - aber was wusste er schon über die Beziehungen innerhalb der Familie. Vielleicht war das hier einmal ein glückliches Zuhause gewesen, das man allein schon aufgrund der schönen Erinnerungen nicht aufgeben wollte. Warum würde ein reicher, erfolgreicher Typ sonst ein solches Haus behalten? Nur aus Sentimentalität? Oder vielleicht, weil er sich in schmutzige Geschäfte verwickelt hatte? War das Testament überhaupt schon gerichtlich bestätigt? Das Haus mochte immer noch auf den Namen seines Stiefvaters eingetragen sein. Ein ideales Versteck.
Mit einem der Schlüssel an Erics Schlüsselring verschafften sie sich Zutritt. Drinnen roch es leicht muffig.
»Er war nicht oft hier«, meinte Luke.
»Seine Mom starb vor zwei Jahren an Krebs, sein Stiefvater
vor einem halben Jahr - Herzinfarkt. Bald nachdem wir uns kennengelernt hatten. Eric meinte, sein Stiefvater wollte nicht leben ohne Erics Mom.«
»Ja. Mein Stiefvater hat das Gleiche gesagt, als meine Mutter starb.«
»Das tut mir leid, Luke. Wie …?«
»Autounfall. Sie saß am Steuer. Es war ein verregneter Abend. Sie kamen ins Schleudern, durchstießen ein Geländer und rollten einen Abhang hinunter. Sie starb, er überlebte.«
Aubrey öffnete den Mund und schloss ihn, ohne etwas zu sagen. Eine schwere Stille lag zwischen ihnen.
»Und jetzt, nach all dem, was du über deinen Stiefvater herausgefunden hast …«
»… frage ich mich, ob es wirklich ein Unfall war.« Er schüttelte den Kopf. »Henry wäre fast gestorben. Es dauerte lange, bis er sich erholte. Ich weiß es nicht. Ich hab immer gedacht, dass er meine Mutter liebt. Aber er ist ein unglaublicher Lügner. Vielleicht werde ich es nie erfahren.«
Aubrey nahm seine Hand und drückte sie.
Er schaltete das Licht in der Küche ein.
»Er hat mir Tee gekocht und gesagt, ich soll mich hinsetzen und warten. Ich war immer noch so durcheinander von dem, was passiert war, dass ich gar nicht weiß, was er getan hat, während ich wartete.«
»Wo ist er hin?«
»Nach hinten.«
Sie gingen ans Ende des Flurs und kamen zu einem Schlafzimmer. Die billigen Möbel waren in Plastik gehüllt, wie um die Erinnerungen in Bernstein zu konservieren. Eine Staubschicht lag auf den Kunststofffolien.
Sie nahmen sich das nächste Zimmer vor. Erics Zimmer. Luke schaltete das Licht ein und hatte das Gefühl, dass sich
hier nichts verändert hatte, seit Eric mit einem Stipendium an die University of Illinois gegangen war. An den Wänden hingen Zeitungsausschnitte, die von seinen Leistungen kündeten, von der Highschool über das College und danach - Erinnerungen an stolze elterliche Hoffnungen. Ein Sohn, der immer alles richtig gemacht hatte, bis er irgendwann einen schweren Fehler beging.
Luke studierte die Zeitungsausschnitte. »Er war Vorsitzender einer Honor Society, und dann endet er als Mörder und Kidnapper, und als Banker von Extremisten.« Er strich mit dem Finger über die Rahmen: der Brief, mit dem man Eric seinen ersten Posten in der IT- und Operationsabteilung einer Bank angeboten hatte; Eric im Sand des Nahen Ostens, auf einer Baustelle, wie er einem älteren eleganten arabischen Geschäftsmann die Hand schüttelt; dann in London, wo er steif mit anderen Bankern beisammensteht; an einem windigen Strand, einer Grenze zwischen Wüste und Meer, wo er zusieht, wie das Skelett einer Hotelanlage Gestalt annimmt.
»Er war wirklich viel im Ausland. Hat er manchmal darüber gesprochen?«
»Nein.« Sie überlegte einen Augenblick, während sie auf einem der Bilder den lächelnden Eric in der Wüstensonne betrachtete. »Mit meiner Importfirma hab ich einmal wirklich ungewöhnliche Tongefäße aus Papua-Neuguinea gekauft, die hatten ein Gesicht auf jeder Seite. Eric mochte sie sehr. Vielleicht weil sie wie er zwei Gesichter haben.«
»Er
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