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Vertrau mir

Vertrau mir

Titel: Vertrau mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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Spritze mit dem todbringenden Inhalt, da diese selbst dazu nicht mehr in der Lage war. Greta saß an ihrem Bett, sprach zu ihr, hielt ihre Hand, so lange, bis die Freundin eindämmerte und noch länger. Erst als Greta absolut sicher war, dass ihre Freundin tot war, rief sie den Arzt. Wie Greta erzählte, waren die letzten Stunden mit ihrer Freundin die schwersten überhaupt für sie. Bis dahin glaubte sie, während der Jahre zuvor, in denen die Krankheit ihre Freundin und ihr gemeinsames Leben veränderte, schon alles Leid gefühlt zu haben. Doch die Stunden des Wartens auf den Tod ihrer Geliebten waren ungleich schwerer.
    Der Richter verurteilte Greta wegen Tötung auf Verlangen. Er legte Greta erschwerend zur Last, dass sie ihr Handeln nicht bereute, und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Aufgrund der Umstrittenheit des gesamten Themas »Sterbehilfe« war Gretas Fall in der Presse rauf und runter debattiert worden.
    Was Anna an Greta am meisten faszinierte, war die Ruhe, mit der sie über ihre Tat sprach. Auch wenn sie es nicht sagte, Anna wusste, Greta würde jederzeit wieder so handeln. Sie kannte im Gegensatz zu Anna kein Schuldgefühl über den Tod des Menschen, den sie verantworten musste.
    Dank Greta lernte Anna das Unabänderliche, das Vergangene zu akzeptieren. Vorher versuchte sie, alles, was mit dem Tod des Wachmannes zusammenhing, zu vergessen. Jetzt analysierte Anna jedes Detail des Tages, an dem alles passierte. Mit dem Ergebnis, dass sie ziemlich bald dahinterkam, dass die Ursache des Unglückes schon Wochen, ja Monate zurücklag. Es waren ihre Art zu leben, ihre radikalen Ansichten, ihre radikalen Freunde. Die Dinge drohten ständig zu eskalieren. Sie hatte keinerlei Kontrolle darüber, was geschah. Wenn sie daran nichts änderte, würde sie schnell wieder vor Gericht stehen. Und wieder und wieder. Am Ende würde sie mehr Zeit im Knast verbringen, als für den Tierschutz zu arbeiten. So hatte sich Anna ihre Zukunft nicht vorgestellt. Ihren Job als Lehrerin an der Grundschule hatte sie bereits verloren. Ebenso die Chance, je wieder an einer anderen Schule zu unterrichten. Sie hatte sich in ihrem blinden Idealismus nur geschadet, für den Tierschutz nicht wirklich etwas erreicht. Diese Erkenntnis traf Anna damals ziemlich hart.
    »Schön, dich mal wieder zu sehen«, begrüßte Greta sie.
    »Ich weiß. Ich habe mich in den letzten Wochen ziemlich rar gemacht. Entschuldige. Es ist nur, ich habe so viel um die Ohren.«
    Greta winkte Anna lächelnd in ihre Wohnung. »Das ist die schlechteste Ausrede der Welt, und das weißt du.«
    »Du hättest ja auch mal vorbeikommen können«, versuchte die den Spieß umzudrehen.
    »Ja. Da hast du recht. Aber ich habe einen wirklich guten Grund, warum ich nicht konnte.«
    »Und der wäre?«
    »Ich bin verliebt.«
    »Nein!« rief Anna.
    Greta grinste verlegen. »Doch. Ich kann es selbst kaum glauben. Ich meine, ich werde in ein paar Wochen fünfzig.«
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Offenbar nichts. Meine Gedanken drehen sich nur um sie und wie ich sie wiedersehen kann.«
    »Wer ist sie? Und weiß sie es?« fragte Anna neugierig.
    »Nein, sie ahnt nichts davon. Es ist eine meiner Kundinnen.«
    »Wie gut, dass du Friseurin bist und nicht Zahnärztin. Da siehst du sie doch spätestens in zwei Monaten wieder.«
    »Sie sagte, sie muss zu einem Vorstellungsgespräch. Nach dem Zustand ihrer Haare schneidet sie sonst selbst. Ich glaube, als Zahnärztin wäre meine Chance, sie wiederzusehen, fast größer.« Greta seufzte.
    »Vielleicht bekommt sie die Stelle. Dann braucht sie zukünftig eine ordentliche Frisur«, entgegnete Anna.
    »Und was, wenn nicht? Ich habe im Bestellbuch nachgesehen. Sie heißt Grossmann. Im Telefonbuch gibt es vierzehn Einträge zu diesem Namen. Die meisten sind männlich. Es könnte natürlich der Name ihres Ehemannes sein. Andererseits, verheiratete Frauen schneiden sich die Haare nur sehr selten selbst.«
    »Ruf einfach alle an«, schlug Anna vor.
    Greta wiegte unentschlossen den Kopf. »Und was soll ich sagen?«
    »Sag, du hast im Salon nach Feierabend eine Handtasche gefunden und telefonierst die heutigen Kundinnen durch.«
    »Es ist eine Woche her, dass sie da war.«
    »Dann hast du so lange damit gewartet, weil du dachtest, der Verlust der Tasche würde bemerkt und selbige abgeholt werden.«
    »Aber sie hat keine Handtasche verloren. Ergo kann ich sie auch nicht wiedersehen, weil sie kommt, um sie abzuholen.«
    Anna lachte.

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