Vertrau mir
»Entschuldige.«
»Du bist und bleibst ein hoffnungsloser Fall.« Greta schüttelte den Kopf. »Wann lernst du endlich, dass du die Welt nicht retten kannst?«
»Und du wirst nie begreifen, dass genau diese Einstellung es ist, die Passivität schafft.«
Greta nickte. »Ja. Aber eines musst du mir verraten: Warum hilfst du dieser Kommissarin eigentlich? Dir ist doch klar, dass sie hinter deinen Leuten her ist.«
Anna hob zu Protest an.
»Okay, deinen ehemaligen Leuten«, verbesserte sich Greta. »Ihr habt unterschiedliche Auffassungen in dem Punkt, wie man Tierschutz in die Tat umsetzen soll. Aber ich nehme dir nicht ab, dass dich diese Manager auch nur einen Hauch scheren. Es sind Leute wie sie, die für Tierversuche verantwortlich sind. Und du verachtest solche Menschen aus tiefstem Herzen. Ihr Schicksal lässt dich kalt. Also, warum hilfst du der Frau?«
7.
S ie saßen zu acht zusammengedrängt auf der Ladefläche des kleinen Lieferwagens und warteten. Die Späher waren schon seit einer Stunde beim Objekt und beobachten es. In Claudias Funkgerät knackte es. »Wir gehen jetzt ran und legen die Köder mit dem Betäubungsmittel für die Wachhunde aus. Ihr könnt dann kommen.«
Claudia gab dem Fahrer ein Zeichen. Der Lieferwagen fuhr an. Die anderen kontrollierten noch mal ihre Ausrüstung. Handschuhe, Bolzenschneider, Leinen. Claudia drückte Maike eine Videokamera in die Hand. »Hier«, sagte sie. »Du wirst eine Menge zu sehen bekommen. Nimm alles auf. Die Tiere, die engen Zwinger, alles.«
Maike nickte beklommen. Langsam wurde ihr mulmig im Magen. Nicht, weil sie wie die anderen befürchten musste, den Abend nicht zu Hause, sondern beim Verhör auf der Polizeiwache zu beenden. Sondern weil alles so unwirklich war.
Am Holpern des Wagens konnte Maike erkennen, dass sie von der Bundesstraße auf einen unbefestigten Waldweg abfuhren. Der Fahrer schaltete die Scheinwerfer aus. Sie fuhren ohne Licht durch die stockdunkle Nacht. Dann stoppte der Lieferwagen. Sie stiegen leise aus und schlichen zu dem Gelände des von Büschen versteckten Zuchtbetriebes. Schilder am Zaun warnten vor bissigen Hunden. Die lagen bereits betäubt auf dem Gelände und wurden als Erstes von den Tierbefreiern in Sicherheit gebracht.
Es war Maike immer klargewesen, dass Tierzucht nichts für Leute mit sensiblen Nerven ist. Aber sie hielt sich auch nicht für übermäßig sensibel. Sie hatte schon die eine oder andere Reportage über Missstände in Mastbetrieben im Fernsehen gesehen. Auch die brutalen Bilder aus den Versuchslaboren von Covance in Münster, die sie bei ihrer Recherche im Internet fand, hatten sie wirklich schockiert. Doch verfolgten die Gedanken daran sie nun nicht Tag und Nacht. Wer glaubt, Fleischproduktion bedeute, man wartet, bis ein Tier an Altersschwäche stirbt, oder Medikamentenentwicklung stützt sich auf Sternenguckerei, lebt in einer Traumwelt. Die Realität zeigt sich oft weniger schön, als man sie sich wünscht. Das ist eine Tatsache, mit der man sich natürlich nicht gern auseinandersetzt. Man schiebt die unbequemen Dinge von sich weg und schläft jeden Abend ruhig ein.
Eines wusste Maike sicher: Sie würde heute Nacht nicht ruhig schlafen. Schon allein der üble Geruch nach Urin, der ihr entgegenschlug, als sie das Gebäude betraten, würde ihr noch tagelang in der Nase hängen und dafür sorgen, dass sie das Bild, das sich ihr hier bot, nicht vergaß. Der große Raum, früher vielleicht mal eine Lagerhalle, war vollgepfropft mit Käfigen. Wohlgemerkt, viel zu kleine Käfige für die Hunde, welche die ganze Nacht darin eingepfercht waren. Beim Anblick all der traurigen Hundeaugen wurde Maike buchstäblich schlecht. Die Tiere konnten nur ahnen, dass ihre Zukunft nicht besonders rosig aussah. Maike wusste es. Sie kannte ihr Schicksal: Den Tod. Offen war nur die Frage, wodurch. Die glücklicheren unter ihnen starben schnell beim ersten oder zweiten künstlich hervorgerufenen Herzinfarkt. Die weniger glücklichen litten noch Tage oder Wochen nach der Injektion giftiger Substanzen, bevor sie getötet wurden, damit ihre Organe entnommen und untersucht werden konnten.
Maike schaltete die Kamera an, stellte auf Weitwinkel, so dass sie eine Aufnahme vom Raum bekam. Anschließend nahm sie verschiedene Tiere ganz nah auf. Dann schwenkte sie mit dem Suchobjektiv im Raum herum – und sah das reine Bild des Jammers: Einer der Hunde war noch im Käfig angebunden, und zwar so kurz, dass er seinen Wassernapf nicht
Weitere Kostenlose Bücher