Vertrau mir
der Szene bewegt, was so Usus ist. Sie wissen schon, was ich meine. Und vor allem, erzählen Sie mir alles, was Sie über Claudia Schrader wissen.«
»Vergessen Sie es.«
»Aber ich treffe mich heute Abend mit ihr und ein paar anderen Leuten, um aus einer Zucht Tiere zu befreien, die an Labors verkauft werden sollen.«
Anna zog halb verwundert, halb besorgt die Augenbrauen zusammen. »Sie hat sie gleich für eine Aktion geworben?« Dann wurde ihr klar: »Es ist ein Test. Wie gesagt, Claudia prüft die Leute genau, mit denen sie sich abgibt. Ihnen ist ja wohl klar, dass in der radikalen Tierschützerszene, in der Sie Fuß zu fassen suchen, andere Regeln herrschen als in einer Gruppe harmloser Demonstranten. Jemand aus Claudias Gruppe wird immer in Ihrer Nähe sein, Sie genau beobachten. Dessen können Sie sicher sein.«
»Was raten Sie mir?«
»Zurückhaltung.«
»Damit kann ich aber keinen Eindruck schinden. Ich will so schnell wie möglich Zugang zu den Leuten bekommen. Einen Hinweis auf die Entführungsopfer finden.«
Ihr Übereifer würde diese Frau in Schwierigkeiten bringen, so viel stand für Anna fest. »Verbessern Sie mich, wenn ich was Falsches sage. Aber baten Sie mich eben nicht, Ihnen Tipps zu geben, wie Sie sich am besten verhalten? Jetzt gebe ich Sie Ihnen, und Sie hören mir nicht zu.«
Maike sah Anna an wie jemanden, der schwer von Begriff war. »Schon, aber ich erwartete eher konstruktive Hinweise«, stellte sie klar. »Etwas, das mich vorwärts bringt und nicht abbremst.«
»Wenn Sie nur hören wollen, was Ihnen in den Kram passt, sehen Sie in den Spiegel und geben sich selbst Ratschläge«, erwiderte Anna. Maike Roloff ging ihr langsam auf die Nerven. Sie sollte sie in Ruhe lassen. Doch leider dachte die nicht daran. Im Gegenteil. Sie lief ihr immer noch hinterher.
»Schon gut«, hörte Anna sie sagen. »Ich weiß ja, ich bin eine Nervensäge. Bitte, versuchen Sie mich zu verstehen. Ich habe leider keine Zeit für langes Taktieren. Es ist sehr wichtig, dass ich schnell zum Erfolg komme. Nicht für mich, sondern für die Entführungsopfer!«
Anna blieb erneut stehen, drehte sich zu Maike um. »Wenn Sie unerhörtes Glück haben, glaubt Claudia wirklich, Sie sind eine dieser idealistischen Träumerinnen. Aber eines dürfen Sie nicht vergessen: Claudia selbst ist keinesfalls idealistisch. Sie ist fanatisch. Darüber hinaus ungeheuer kalt, berechnend und rücksichtslos. Sie können nie vorhersehen, was sie im nächsten Moment tut.«
»Sie kennen Claudia wohl sehr gut?« fragte Maike.
»Ich kenne Sie«, antwortete Anna knapp.
Maike musterte sie eindringlich. Ihre Augen hielten Annas Blick fest. »Sie waren in einer Gruppe. War Claudia dabei, als der Wachmann getötet wurde?«
Anna schwieg. Sie wollte sich die Umstände, die damals zum Tod des Mannes führten, nicht schon wieder in Erinnerung rufen. Die Geschichte raubte ihr lang genug den Schlaf. Es würde wohl nie ganz aufhören. Wie auch. Sie hatte den Tod eines Menschen zu verantworten, so oder so. Was Anna darüber hinaus Sorgen machte, war, dass die Gruppe, mit der sie damals arbeitete, immer noch aktiv war. Claudia wurde die Führerin dieser Gruppe, so viel wusste Anna. Aber sie konnte nur ahnen, und es war eher eine böse Ahnung, in welche Richtung Claudia die Gruppe getrieben hatte.
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Sie wollen nicht darüber sprechen?«
»Ganz recht. Aber ich habe noch einen Tipp. Sicher ignorieren Sie auch diesen.«
»Lassen Sie trotzdem hören.«
»Sie werden feststellen, dass der Tierschutz eine Sache ist, für die zu kämpfen gut tut. Ehe Sie sich’s versehen, stecken Sie mittendrin und fühlen sich im Recht, auch wenn Sie Unrecht begehen. Halten Sie Distanz zu den Dingen, damit das nicht passiert.«
»Da kann ich Sie nun wirklich beruhigen«, versicherte Maike. »Ich habe gelernt, meine Fälle objektiv zu betrachten, ohne überflüssige Gefühlsduselei. In jeder Hinsicht.«
Maike fand das Gespräch mit Anna Ravensburg nicht besonders hilfreich. Ihr schien, als wiederholte Anna sich ständig. Immer und immer wieder mahnte sie zur Vorsicht.
Mochte ja sein, dass Annas Erfahrungen sie lehrten, Vorsicht an erste Stelle zu setzen. Aber sie, Maike, war es gewohnt, Initiative zu ergreifen, wenn es sein musste, Risiken einzugehen. Das war ihr Prinzip. Rückversicherung gehörte nicht dazu. Ja sicher, das führte bereits zu der einen oder anderen Verletzung, einmal wurde sie sogar angeschossen. Doch das war
Weitere Kostenlose Bücher