Vertrau mir
konnten. Es fühlte sich falsch an, gegen sie zu arbeiten. Doch da war leider noch die andere Seite: Claudias Methoden. Die konnte Maike trotz edler Motive nicht akzeptieren.
Maike ging zurück zum Wagen, holte einen weiteren Käfig. Nach zwanzig Minuten waren sie mit dem Ausladen fertig. Gerade als Maike in den Transporter stieg, um loszufahren, kam ein Mann, den sie bisher noch nicht gesehen hatte, auf Claudia zugelaufen. Er zog Claudia von den anderen weg und flüsterte ihr aufgeregt etwas ins Ohr.
Claudias Gesicht nahm einen unwilligen Ausdruck an. Sie gab Maike ein Zeichen, dass sie fahren sollte, und folgte dem Mann zurück ins Haus. Maike sah den beiden nach, wartete, bis sie im Haus verschwunden waren, und ging hinterher. Nicht zu schnell. Sie wollte nicht die Aufmerksamkeit der anderen erwecken. Als Maike ins Haus schlüpfte, hörte sie Claudia fluchen: »Wir können keinen Krankenwagen rufen. Das ist euch doch wohl klar.« Ihre Stimme klang gedämpft aus dem Keller.
»Aber der Mann kratzt uns ab, wenn wir nichts unternehmen. Er hat wahrscheinlich einen Herzinfarkt.«
»Na und? Was juckt mich das. Schade nur, dass wir dann nur noch eine Geisel haben.«
»Spinnst du?«
»Was ist los mit dir, Dirk? Wir haben die beiden nicht entführt, um Freundschaft mit ihnen zu schließen oder eine Patenschaft zu übernehmen. Die sind gewissenloser Abschaum, verantwortlich für grausame Tierquälereien in sogenannten Forschungslabors. Schon vergessen? Sie sollten leiden! Und das tun sie jetzt. Habt ihr Videoaufnahmen gemacht?«
»Ja. Aber es war nie die Rede davon, dass einer von denen abnippelt.«
Maike hatte genug gehört und machte sich aus dem Staub. Zügig ging sie zum Transporter, sprang hinein und fuhr vom Hof.
Ja! Maike triumphierte. Endlich! Endlich ein Erfolg. Was die ganze Zeit nur Vermutung war, war nun Gewissheit. Claudia gehörte zur Gruppe der Entführer. War scheinbar sogar tonangebend. Sie waren auf der richtigen Spur.
Angesichts dieser unerwarteten Wendung der Dinge änderte Maike ihren Plan. Sie rief Anna an und blies ihre Aktion ab. Anna war deutlich erleichtert, fragte, was passiert war, aber Maike hatte nicht die Zeit für Erklärungen. »Ich rufe dich später an«, sagte sie nur und legte auf. Sie hatte es sehr eilig, ihre Kollegen zu informieren. Nachdem auch dieser Anruf getätigt war, fuhr sie ins Büro. Dort angekommen, warteten bereits alle auf sie. Maike fühlte sich angesichts der gespannten Gesichter sehr wichtig. Und in Erwartung ihres Erfolges sehr groß.
»Ich habe bereits Spezialhubschrauber mit Infrarotsuchgeräten angefordert«, empfing Wallbach sie. »Mit Hilfe der thermographischen Abbildung der Kameras erhalten wir genauen Aufschluss darüber, wo auf dem Gelände sich Menschen aufhalten. Dementsprechend werden wir unseren Einsatz koordinieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Personen, die sich nicht oder nur wenig bewegen, die Opfer und die anderen ihre Bewacher.«
»Wenn wir uns beeilen, können wir alle Beteiligten der Entführung mit einem Schlag festnehmen«, sagte Maike enthusiastisch. »Sie sind im Moment nervös, weil es einem der Opfer nicht gut geht. Und sie stritten, als ich wegfuhr. Das ist gut für uns.«
»Gute Arbeit, Frau Roloff.« Wallbach war sichtlich erleichtert. Na klar. Er stand unter Erfolgszwang. Schließlich wurde er als eine Art Wunderknabe gehandelt. Dass dieser Fall, einer der brisantesten der letzten Jahre, bisher nur so langsam voranging, musste gehörig an seinem Nervenkostüm zerren. Und an dem seiner Vorgesetzen. Die Öffentlichkeit erwartete eine schnelle Aufklärung. Und die Presse machte natürlich Druck.
Maike saß neben Wallbach im Wagen. Sie standen hundert Meter vom Jägerhof entfernt im Wald. Das Fahrzeug des Einsatzkommandos parkte direkt hinter ihnen. Vom Piloten des Hubschraubers kam eine Beschreibung der Wärmebilder. Er konnte zwei Gruppen ausmachen, eine im Haupthaus mit drei Personen, eine im Nebengebäude mit vier Personen.
Maike zählte die Personen zusammen, die sie heute Mittag gesehen hatte. »Da war der Tierarzt, drei Leute, die beim Ausladen halfen, Claudia Schrader natürlich. Macht fünf. Dann der Mann, der zu ihr kam und über die Gefangenen redete. Wahrscheinlich ein Bewacher der Entführten. Sechs. Die beiden Entführten selbst und sicher noch ein zweiter Bewacher. Alles in allem also neun. Zwei von ihnen sind demnach nicht mehr da. Hoffentlich ist nicht Claudia Schrader eine von denen, die fehlt. Dann
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