Vertrau mir
rief kurz ihren Kollegen an. »Kein Problem«, verkündete sie dann. »Sollte mein Chef nach mir fragen, bin ich schon auf dem Weg zur Schule. Wir treffen uns dort. Wir können also ganz in Ruhe frühstücken.« Sie strahlte Anna an.
Maike erstaunte Anna wirklich mit ihrer Gelassenheit. Man sollte meinen, dass die Tatsache, dass sie die Nacht mit einer Frau verbracht hatte, Maike wenigsten etwas irritierte. Machte sie sich keine Gedanken, ob dies ein Ausrutscher oder eine Tendenz war? Und wenn es eine Tendenz war, wie sie diese zukünftig in ihr Leben integrieren sollte? Oder verbarg Maike diesen inneren Konflikt nur geschickt vor ihr? Anna wusste ja sehr gut, dass Maike nicht gerade der aufgeschlossene Typ war. Sie versuchte lieber alles selbst in den Griff zu bekommen.
Vielleicht irritierte sie Maikes Gelassenheit aber auch nur so, weil sie gern wissen wollte, ob Maike irgendeine Vorstellung hatte, wie es mit ihnen beiden weiterging. Sie, Anna, hatte schon eine Vorstellung. Eine ziemlich konservative, zugegeben. So was in der Richtung wie: Sie lebten glücklich zusammen bis an ihr Lebensende.
Maikes Handy klingelte. Sie nahm den Anruf entgegen, hörte aufmerksam zu, sagte ein paarmal ja und nein und legte wieder auf.
»Das war Wallbach«, sagte sie. Ihre Stimme klang aufgeregt. »Claudia ist bei einer ihrer Aktionen gestern von einem Wachmann angeschossen worden. Sie lehnt jede Operation und Medikamentierung ab, weil alle diese Mittel laut ihrer Überzeugung in Tierversuchen erprobt wurden. Die Wunde wird sich nach Meinung der Ärzte entzünden. Ein Psychologe ist bei Claudia, um sie erstens zur Behandlung zu überreden und zweitens zur Zusammenarbeit. In beiden Sachen ist der Erfolg jedoch sehr fraglich. Der Psychologe meint, es würde helfen, wenn eine Person, die Claudia gut kennt, ihn beraten würde. Die bisherigen Gespräche wurden auf Tonband aufgenommen. Wallbach sagte, ich soll zu dir fahren und dich fragen.« Maike grinste. »Wie gut, dass ich schon hier bin. Da können wir gleich zusammen zum Krankenhaus.«
Annas Begeisterung hielt sich in Grenzen. Und ein Verdacht beschlich sie. Sie erinnerte sich plötzlich daran, dass Maike mal eine Bemerkung machte, wie nützlich die Information für sie sei, dass Claudia auf Frauen stand. So konnte sie mit Claudia flirten, um an Informationen zu kommen. Anschließend stellte sie es so dar, als habe sie einen Scherz gemacht. Was, wenn sie diese Methode doch angewandt hatte? Nur bei einer anderen. Und mit mehr Einsatz. Nicht für Informationen, sondern um eine Gegenleistung zu bekommen?
»Seit wann weißt du das alles?« fragte Anna tonlos.
»Was?«
»Das mit Claudia.«
»Seit eben. Du hast doch den Anruf mitbekommen.«
»Bist du dir sicher? Deine Chefs haben dich nicht vielleicht schon gestern hergeschickt, um mich zu überreden?« In Annas Kopf hämmerte es unaufhörlich: Sie hat dich getäuscht. Es war dieser verdammte Fall, der sie herkommen ließ. Sie ist zurückberufen worden und brauchte wieder mal deine Hilfe. Statt dich einfach zu fragen, hat sie eine Show abgezogen. Eine verdammt gute sogar.
Maike schüttelte den Kopf. »Aber nein, ich sage dir doch . . .«
»Du hättest nicht mit mir schlafen müssen, um mich zu überreden«, schnitt Anna ihr das Wort ab. »Ich hätte es bestimmt auch nach einer unserer üblichen Diskussionen getan. Aber du wolltest wohl auf Nummer Sicher gehen?« warf sie Maike an den Kopf. Sie war davon überzeugt, dass es so war. Nur so ergab das alles einen Sinn.
»Das ist absoluter Quatsch«, sagte Maike. »Hör auf damit und lass uns fahren«, überging sie Annas Vorwurf einfach.
Anna konnte es nicht fassen. Maike ging wie selbstverständlich davon aus, dass sie mitkam. Natürlich. Maike hatte schließlich alles dafür getan! Und obwohl Anna sich elendig fühlte, so hinters Licht geführt worden zu sein, fuhr sie wirklich mit Maike mit. Sie war einfach nicht in der Lage, mit Maike eine Diskussion darüber zu führen.
Im Krankenhaus fing Wallbach sie schon am Eingang ab. Er stellte sich Anna vor und führte die Frauen in das Zimmer, in dem der Psychologe und sein Tonband auf sie warteten. Maike und Anna hörten sich das Material an. Viel war es nicht.
»Wie Sie hören können, verhält sich Frau Schrader bis dato absolut unkooperativ«, kommentierte der Psychologe. »Ihre radikale Einstellung macht es mir beinah unmöglich, überhaupt eine Art Gesprächsbasis zu finden. Sie akzeptiert nur ihre eigene Meinung. Keine
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