Vertrau mir
Abweichung rechts oder links davon. Entweder ist man für oder gegen sie und ihre Sache. Dazwischen existiert nichts.«
Maike sah Anna an und nickte. »So kennen wir Claudia.«
»Wir brauchen unbedingt jemanden, der Frau Schrader von früher kennt und vielleicht an sie rankommen kann. Ich hoffe, dass Sie, Frau Ravensburg, mir da weiterhelfen können.«
Anna schaute ihn ausdruckslos an. »Sie sind offenbar nicht richtig informiert, was das Verhältnis zwischen mir und Claudia Schrader betrifft«, sagte sie. »Ich habe ihrer Art Tierschutz den Rücken gekehrt. Ich bin die Letzte, zu der Frau Schrader Vertrauen hat. Sie hasst mich. In ihren Augen bin ich eine Verräterin.«
Wallbach mischte sich ein. »Das wissen wir. Trotzdem versprechen wir uns viel von einem Gespräch zwischen Ihnen beiden. Eine unbedachte Bemerkung, die Frau Schrader vielleicht in einem Streitgespräch fallen lässt. Oder so etwas in der Art.«
»Sie unterschätzen Claudia gewaltig«, sagte Anna.
»Sie ist angeschlagen, hat bereits hohes Fieber. Das schwächt sie«, warf Wallbach ein.
»Warum nur habe ich den Eindruck, dass Claudias Gesundheit Ihnen kaum am Herzen liegt?«
Annas Vorwurf traf Wallbach nicht. »Die Ärzte können ihr nicht gegen ihren Willen helfen. Sie würde das Krankenhaus verklagen. Aber keine Bange, wenn sie erst bewusstlos ist, wird eingegriffen.«
»Welches Zimmer?« fragte Anna nur.
»205.«
»Du wirst sterben, wenn du deine Sturheit nicht aufgibst. Lass dir helfen!«
Claudia öffnete ihre Augen. Annas Auftauchen überraschte sie nicht sonderlich. »Bist du besorgt um mich?«
»Wie oft habe ich dir gesagt, dass du es übertreibst. Man kann nicht immer mit dem Kopf durch die Wand gehen.«
»Kannst du mir einen Gefallen tun? Ich brauche ein Telefon. Der Akku zu meinem Handy ist alle. Ich will ein paar Reporter anrufen, die über meinen Fall berichten.«
Anna gab Claudia ihr Handy. »Wenn es das ist, was du willst. Einen Bericht auf Seite zehn oder elf, den die Leute morgen schon wieder vergessen haben. Ist es nicht logischer, sich am Leben zu erhalten, um auch weiterhin Signale setzen zu können?«
»Nicht, wenn ich damit meine Prinzipien verrate. Für die kämpfe ich schließlich. Notfalls sterbe ich auch dafür.«
»Eine Märtyrerin, wie sie im Buche steht«, sagte Anna in sarkastischem Ton.
»Früher warst du auch so.«
»Nein«, widersprach sie. »So war ich nie. Ich war eine radikale Tierschützerin, das ist wahr. Aber das Leben von Menschen stand für mich immer an erster Stelle. Deine Sache ist wirklich eine gute, aber . . . du gehst es falsch an.«
»Ja, ja. Die Leier kenne ich. Wir brauchen sinnvolle Gesetze, Kontrolle und Bestrafung. Und vor allem Aufklärungsarbeit. Bla, bla, bla . . .« Claudias Tonfall ließ keinen Zweifel darüber, dass sie nichts auf diese Dinge gab.
Dennoch ging Anna auf ihre Worte ein. »Genau«, sagte sie. »Es gibt andere Wege, aber dennoch wirksame. Zum Beispiel, dass Hersteller von Kosmetik und Medikamenten, welche in Tierversuchen erprobt wurden, in der Fernsehwerbung einen Spruch akzeptieren müssen, der zum Beispiel lautet: Dieses Produkt wurde in Tierversuchen erprobt . Ähnlich dem Spruch Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie Ihren Arzt oder Apotheker. Auf selbigen Produkten muss, wie auf Zigarettenpackungen der Hinweis auf die Schädlichkeit, ein entsprechender Aufkleber angebracht sein: Das Produkt wurde in Tierversuchen erprobt. Und so weiter und so weiter.«
Claudia winkte nur ab. »Und wie lange soll es dauern, bis das durchgesetzt wird?«
»Es ist ein langwieriger Prozess. Aber . . .«
». . . Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut«, unterbrach sie Anna. »Den Spruch kenne ich. Ich kann ihn nicht mehr hören.«
»Es wäre eine von der Gesellschaft akzeptierte Art des Tierschutzes. Und das ist es, was die Tiere brauchen. Selbstverliebte Märtyrer bringen die Sache nicht weiter.«
»Ich verstehe dich nicht, Anna. Früher warst du ganz anders. Wir haben gemeinsam Pläne geschmiedet. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das war unser Motto.«
»Und ich verstehe dich nicht. Du bist total verblendet.«
»Danke für das Gespräch. Du kannst dem Psychoonkel sagen, er soll mich in Ruhe lassen. Und deiner kleinen Polizistin, mit der du sicher hier bist, kannst du sagen, sie bekommt noch ihre Abreibung.« Claudia schloss die Augen und demonstrierte damit, dass das Gespräch für sie beendet war. Anna ging. Das Gespräch war genauso verlaufen, wie sie
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