Vertrau mir
Maikes Verlegenheit zu. Sie wurde sogar ein wenig rot. »Kann ich dir bei der Fütterung der Tiere helfen?« fragte sie.
»Bin gerade fertig.«
»Oh.«
Anna seufzte. »Willst du mir beim Abendessen Gesellschaft leisten?«
»Aber nur, wenn ich dich nicht störe.«
Sie gingen ins Haus. In der Küche setzte Maike sich auf »ihren« Platz.
»Ich muss erst mal unter die Dusche«, sagte Anna. Nicht, dass sie sich so schmutzig fühlte, aber sie brauchte einfach ein paar Minuten, um Maikes unerwartetes Auftauchen zu verarbeiten. »Im Kühlschrank steht Bier. Bedien dich.« Damit ließ sie Maike allein.
Normalerweise verschaffte es Anna ein entspanntes Gefühl, wenn ihr das warme Wasser von der Haarspitze bis zur Fußsohle über den Körper rieselte. Heute war das anders. Sowohl ihr Körper als auch ihr Geist waren viel zu angespannt, um die beruhigende Wirkung des Wassers genießen zu können.
Anna rätselte, was Maike wirklich dazu veranlasst hatte, bei ihr aufzukreuzen. Wenn Maike gekommen war, weil sie wieder mal ihre Hilfe benötigte, war das zwar nicht so überwältigend schmeichelhaft für sie, aber wenigstens überschaubar. Doch was, wenn nicht? Was, wenn Maike aus einem ganz anderen Grund kam? Vielleicht hatte sie ihre Enttäuschung am Telefon doch bemerkt, sich ihren Reim darauf gemacht und war nun gekommen, um die Situation zu klären: Gute Freunde und nicht mehr. Bei diesem Gedanken verspürte Anna ein deutliches Unwohlsein im Magen. Es verschwand auch nicht beim Abtrocknen und während sie sich anzog. Als sie wieder zu Maike in die Küche ging, war Anna nur noch mehr durcheinander als vor zehn Minuten, da sie diese verlassen hatte.
Maike saß am Tisch, zwei Bier und zwei Gläser vor sich. Sie hatte auf Anna gewartet. Doch Anna setzte sich nicht zu ihr, sondern versuchte sich in Geschäftigkeit. Leider war die Art und Weise, wie sie ihr Essen zubereite, nicht besonders dazu geeignet, lange beschäftigt auszusehen. Weil sie oft erst sehr spät mit ihrer Arbeit fertig wurde und dann sehr schnell Essen auf dem Tisch haben wollte, lebte Anna größten Teils von Tiefgefrorenem. Das musste sie nur in den Ofen legen und warten, bis es fertig war. Normal arbeitete Anna in der Zwischenzeit am Computer. Nun konnte sie Maike aber schlecht hier allein sitzen lassen, nachdem die Schale mit der marinierten Putenbrust und zwei Knoblauchbaguettes im Ofen lagen. Notgedrungen setzte Anna sich.
Maikes Augen leuchteten erfreut auf, dann schlugen sich ihre Lider sofort nieder. »Du bist überrascht, dass ich gekommen bin«, sagte sie leise.
»Allerdings«, gab Anna zu. »Das war so ziemlich das Letzte, womit ich gerechnet hätte.«
»Warum? Dachtest du, der Abbruch des Falles wäre gleichbedeutend mit dem Abbruch unserer Freundschaft? Einfach so. Aus den Augen, aus dem Sinn? Außerdem habe ich dich doch angerufen.«
Anna sah Maike offen an. » Mach’s gut , danke für alles und nur der Umstände halber Zeit miteinander verbracht klingt nicht eben nach einem baldigen Wiedersehen. Und mir war bis eben nicht klar, dass du mich als deine Freundin betrachtest.«
»Aber ich dachte, das hätten wir bereits geklärt.« Maike legte ihre Hand auf Annas. »Ich habe dir viel zu verdanken. Deine Hilfe war sehr wertvoll für mich. Auch wenn ich am Ende vom Fall abgezogen wurde.«
Anna seufzte innerlich. Immer noch brachte Maike alles nur mit einem in Verbindung. Ihrer Arbeit. Anna wusste, wenn sie das Wort »Fall« heute noch mal hören musste, würde sie laut schreien. Sie zog ihre Hand demonstrativ zurück. »So wie du es erzählst, klingt es für mich, als fühltest du dich mir gegenüber zu Dank verpflichtet. Zur Freundschaft gehört aber mehr als Dankbarkeit.«
»Wenn ich nur dankbar wäre, hätte ich dir einen Präsentkorb oder Blumen mit einer Karte geschickt und mein Gewissen wäre bereinigt. Aber wie du siehst, bin ich hier.«
»Hm«, war alles, was Anna darauf erwiderte.
Maike wusste, wenn sie Annas Abwehr überwinden wollte, musste sie mit mehr kommen. Aber es fiel ihr schwerer als angenommen, über ihre Gefühle zu reden. »Ich weiß auch nicht, warum. Ich . . . ich habe dich vermisst. Schon nach nicht einmal vierundzwanzig Stunden. Aber ich traute mich nicht, zu dir zu fahren. Und am Telefon habe ich Blödsinn geredet«, kam es leise aus Maikes Mund. Von der sonst so selbstsicheren Kommissarin war im Moment nicht viel übrig. »Ich bin hier, weil ich . . . dir sagen wollte, dass du dich geirrt hast. Ich habe
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