Vertrau mir
ist. Anna ist diejenige, die mich nicht sehen will.«
Und tatsächlich, Greta schaute Maike überrascht an. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte sie. »Ich dachte, Sie wollten nicht . . .«
»Hat Anna das gesagt?«
»Nein. Anna sagte nicht viel. Aber für mich klang es so . . . da habe ich wohl was falsch verstanden. Ich bin eigentlich hier, um Ihnen zu sagen, was für ein wundervoller Mensch Anna ist, und dass sie es wert ist, geliebt zu werden.«
»Natürlich ist sie das. Ganz sicher. Und ich würde auch gern die Chance dazu bekommen. Nur Anna will davon nichts wissen.«
»Das verstehe ich nicht. Ich sehe doch, wie sie unter Ihrem Verlust leidet.«
Maike horchte auf. »Tut sie das?«
Greta nickte. »Ja, das kann ich mit Sicherheit sagen.«
Maike atmete tief durch, vergaß, dass Greta eine ihr fremde Person war, und erzählte, was passiert war. Greta hörte Maike aufmerksam zu. Zum Schluss nickte sie. »Jetzt wird mir so einiges klar.«
»Was?«
»Sie kennen Annas Geschichte, wie sie von Claudia hintergangen wurde?«
»Ja, in groben Zügen. Sie hat sie mir mal erzählt.«
»Ich habe das Ganze miterlebt. Die Besuche Claudias, Annas Glaube an sie, der langsam zerbröckelte. In der Zeit, die wir zusammen in Haft saßen und uns kennenlernten, veränderte Anna sich innerlich sehr. Sie verschloss sich zunehmend.«
Die Überraschungen hörten heute gar nicht mehr auf. Greta und Anna saßen gemeinsam in Haft? Und was bedeutete »kennenlernten«? Wie gut? Maike musterte Greta erneut, diesmal eingehender. Sie war wesentlich älter als Maike und auch um einige Jahre älter als Anna. Dennoch. Innerhalb der Gefängnismauern war die Auswahl begrenzt . . . Waren die beiden ein Paar gewesen? Leichte Eifersucht regte sich in Maike. Sie rief sich zur Ordnung.
»Der Verrat Claudias hat Anna tief verletzt«, erzählte Greta weiter. »Sie wissen sicher, wie schnell sich ein Mensch in sich selbst zurückzieht, und wie lange es dauert, ihn aus diesem Versteck wieder hervorzuholen.«
Nun ja, damit erklärte ihr Greta zwar gerade einleuchtend, warum sich Anna so verhielt, wie sie sich verhielt. Wie sie Anna aber davon abbringen konnte, dafür zeigte Greta ihr bisher auch keine Lösung.
»Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
»Abwarten und Tee trinken.«
Toll!
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Hier ist meine Telefonnummer.« Greta reichte Maike die Visitenkarte ihres Friseursalons. »Sie können mich jederzeit anrufen. Dann erzähle ich Ihnen, was Anna so treibt. Und wenn Anna vernünftiger geworden ist und nachzudenken beginnt, dann gebe ich Ihnen Bescheid.«
Maike nahm die Karte. Schaute zweifelnd auf sie. Sollte sie Greta nun dankbar sein, weil sie ihre Hilfe anbot, oder sollte sie über ihren Vorschlag den Kopf schütteln? Maikes anfängliche Erwartung wich jedenfalls einer gewissen Enttäuschung. Gretas Angebot war zwar nett gemeint, wirklich weiter brachte es sie aber nicht.
20.
E s war Anna gelungen, einen Termin bei Professor Gerster zu bekommen. Im Verlaufe eines längeren Vorgespräches willigte der Laborchef der Universität zwar zögerlich, aber endlich doch ein, mit ihr über die an der Universität durchgeführten Tierversuche zu debattieren, genauer gesagt, die damit verbundenen ethischen Gesichtspunkte. Und so saß Anna jetzt in seinem Büro. Annas Hoffnung war, Gerster, als einen der Verantwortlichen, für die Thematik zu sensibilisieren. Sie hatte allerdings nicht das Gefühl, dass der Professor an dem Thema sonderlich interessiert war. Trotzdem. Vielleicht würde er ja in Erinnerung an ihr Gespräch den ein oder anderen Versuch überdenken, im besten Fall ihn gar nicht erst durchführen beziehungsweise durchführen lassen.
»Ich würde auch gern mit Ihren Studenten die Problematik erörtern. Vielleicht in einer Seminarstunde, wenn Sie einverstanden sind, Herr Professor. Gerade die neue Generation Wissenschaftler sollte ihre Aufmerksamkeit dahin lenken, alternative Methoden zu entwickeln.«
Gersters Gesicht zeigte deutliche Ablehnung. »Die Seminare dienen der Vertiefung des Lehrstoffes.«
»Dann vielleicht ein Seminar außerhalb des Lehrplanes. Auf freiwilliger Basis. Wen es interessiert, der kommt, die anderen nicht. Wären Sie damit einverstanden?«
»Wenn ich es nicht bin, wenden Sie sich dann an den Marburger Kurier? Sie haben da sicher Möglichkeiten. Nach dem letzten Bericht über Sie.«
Offensichtlich fühlte Gerster sich unter Druck gesetzt. Er dachte wohl, sie
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