Vertrau mir
Wochen Sonne satt tanken und an nichts anderes denken als an sich und ihr Wohlergehen. Ihr Handy schaltete Maike aus. Sie war nicht Tausende Kilometer geflogen, um sich mit den heimischen Problemen zu beschäftigen.
Merkwürdig. Maike nahm nicht ab. Anna probierte es immer wieder auf ihrem Handy, ohne Erfolg. Zuerst vermutete sie, Maike nahm ihre Anrufe mit Absicht nicht entgegen. Immerhin konnte sie anhand des Nummernanzeigers sehen, wer anrief. Vielleicht stand Maike nicht der Sinn danach, mit ihr zu reden. Vielleicht wollte sie ihr zeigen, dass sie auch stur sein konnte. Oder Maike hatte einfach mit ihr abgeschlossen. Sie hatte im Restaurant ja so was angedeutet.
Anna versuchte es weiter, vier Tage. Ohne Erfolg. Am fünften Tag rief sie Greta an. Die hatte Maike seit einer Woche weder gesehen noch gesprochen.
»Vielleicht ein neuer Einsatz«, suchte Anna nach einer Erklärung. »Kann ja sein, dass sie gezwungen ist, Kontaktsperre zu halten.«
»Was ist denn los?« fragte Greta.
»Nichts weiter. Ich kann sie nur nicht erreichen.«
»Hast du mal auf ihrer Dienststelle angerufen?«
»Nein. Natürlich nicht. Ich will sie ja nicht dienstlich sprechen, sondern privat.«
»Wenn du sie doch aber privat nicht erreichen kannst!«
Manchmal hatte Gretas Logik was. Anna rief also in Maikes Büro an und erfuhr, dass sie Urlaub genommen hatte.
»Urlaub?« fragte Anna ungläubig.
»Ja. Seit fast einer Woche.«
»Aber . . .« Maike hatte nichts davon erzählt. Es musste ein kurzfristiger Entschluss gewesen sein. Unmittelbar nach ihrem letzten Gespräch. Und Anna fielen auch gleich zwei Gründe für diese schnelle Abreise ein. Einer so unerfreulich wie der andere. Entweder wollte Maike sie zu einer Entscheidung zwingen oder – noch schlimmer – sie hatte es aufgegeben, um sie zu kämpfen. So oder so, Maike hielt es für das Beste, eine Weile zu verschwinden. Und sie hinterließ keine Nachricht. Was gleichbedeutend damit war, dass sie keinen Kontakt wünschte. Und konnte sie es Maike verdenken?
»Wie lange denn noch?« fragte Anna.
Die Antwort versetzte ihr einen kleinen Schock. Noch drei Wochen!?
Das bedeutete drei Wochen Ungewissheit. Drei Wochen mit der bangen Frage: Legte Maike noch wert darauf, sie zu sehen?
In den Wochen ihres Urlaubes schwankte Maike zwischen zwei Gemütsverfassungen. Mal bereute sie, dass sie Anna das Ultimatum gestellt hatte, dann wieder bestärkte sie sich darin. Was sollte sie sonst tun? Sie hatte geredet wie ein Buch. Es half nichts. Entweder sah Anna endlich ein, wie unsinnig ihre Vorwürfe waren, und wenn nicht, nützten auch alle Argumente nichts.
Deshalb war es richtig, Abstand zwischen ihnen zu bringen. Maike fand, es tat ihr auch gut, endlich mal wieder an sich selbst zu denken. Anna erhielt nun ausreichend Gelegenheit, in sich zu gehen und zu entscheiden, wie sie sich zu dem Ultimatum stellen wollte. Nach ihrem Urlaub würde Maike erfahren, woran sie war.
Wenn Maike allerdings hoffte, bei ihrer Rückkehr von Anna erwartet zu werden, sah sie sich enttäuscht. Sie fand auch keine Nachricht, weder E-Mail noch SMS noch sonst etwas von Anna vor. Zwar sah Maike auf ihrem Handy, dass Anna ein paarmal nach ihrer Abreise versucht hatte, sie zu erreichen, aber das war drei Wochen her. Seit dem stand Annas Telefonnummer nicht mehr im Speicher der unbeantworteten Anrufe von Maikes Handy. Für Maike stand damit fest: Anna hatte ihre Meinung nicht geändert. Es fiel Maike nicht leicht, sich damit abzufinden, aber dank der letzten Wochen räumlicher Trennung fiel es ihr wiederum leichter als erwartet.
Da kam das Angebot, das Maike auf ihren Schreibtisch vorfand, gerade richtig. Wallbach forderte sie für sein Team an. Es gab keinen Grund abzulehnen. Im Gegenteil. Die neue Arbeit würde sie auf andere Gedanken bringen – und weg aus Marburg. Entfernung von Anna tat ihr gut. Das hatte der Urlaub ja bewiesen.
23.
A nna ließ extra zwei Tage länger verstreichen, um Maike nicht gleich am ersten Tag nach ihrer Rückkehr zu überfallen. Maike hatte sicher jede Menge um die Ohren nach vier Wochen Abwesenheit. Da Anna sie nicht anrufen, ihr eine SMS oder sonst wie schreiben, sondern in Ruhe mit Maike reden wollte, war sie gestern Abend zu ihr nach Hause gefahren. Aber da war Maike nicht. Also versuchte Anna es heute in Maikes Büro. Anna war klar, dass Maike kaum Zeit haben würde, aber sie wollte ihr in die Augen sehen können, wenn sie Maike um ein Gespräch bat. Damit diese sah, wie
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