Vertrau mir
beispielsweise der Einfluss unserer Lebensweise auf die Entstehung und den Verlauf verschiedenster Krankheiten untersucht. Es konnte eindeutig gezeigt werden, dass Faktoren wie Rauchen, Alkoholmissbrauch, falsche Ernährung, Stress, mangelnde Bewegung usw. wesentlichen Einfluss haben. Für solche Untersuchungen muss kein Tier leiden und sterben. Mit ein wenig Vernunft und ein wenig Einsicht können wir alle das Leiden von Millionen Versuchstieren verhindern.«
»In einer bestimmten Phase der Forschung müssen Medikamente an Tieren erprobt werden. Sonst würden sehr viele Menschen an Nebenwirkungen leiden oder sogar sterben«, meldete sich einer der Studenten zu Wort und unterbrach Anna in ihrem Vortrag. »In-vitro-Verfahren reichen da nicht aus.«
»Sehen Sie, und gerade das zweifle ich stark an. Tierversuche geben keine gesicherte Aussage über die Wirkung der erprobten Stoffe auf Menschen. Ich gehe so weit, dass ich fordere, vor jedem neuen Tierversuch dessen Nutzen und Notwendigkeit zu hinterfragen. Denn diese Versuche sind nicht nur aus ethischen Gründen abzulehnen. Auch aus medizinischen Gründen. Das künstlich geschädigte Versuchstier hat außer gewissen Symptomen nur wenig mit der menschlichen Erkrankung gemein. Wichtige Aspekte der Krankheitsentstehung, wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, Verwendung von Suchtmitteln, schädliche Umwelteinflüsse und Stress, werden bei dieser Art der Forschung außer acht gelassen. Ergebnisse aus Studien mit Tieren sind daher eher irreführend. Tatsächlich hat die tierexperimentell ausgerichtete Wissenschaft trotz jahrzehntelanger Forschung und des Einsatzes von Abermillionen von Tieren Krankheiten wie Krebs, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Rheuma nicht besiegen können.«
»Aber solche Experimente haben mitgeholfen, Medikamente zu entwickeln, die Leiden mindern. Die Lebenserwartung der Menschen wurde dadurch verlängert«, kam der erneute Einwurf. Und dem konnte selbst Anna nicht ernsthaft widersprechen. Nicht, wenn sie glaubhaft bleiben wollte. Maike wartete gespannt auf Annas Antwort.
»Ich weiß. Sehr zur Bekümmerung unserer Rentenkasse«, sagte Anna ironisch und lockerte durch den Scherz die Spannung auf, die im Saal entstanden war und die spürbar zu einer Verhärtung der Fronten führte. Ein Diskussionspartner, der einen Scherz machen kann, ist den meisten sympathisch, weil man davon ausgehen kann, dass man nicht in eine Verteidigungsposition gedrängt werden soll, sondern einfach nur eine andere Sichtweise dargelegt bekommt. Was durchaus interessant und lehrreich sein kann.
»Ich leugne ganz sicher nicht, dass eine Vielzahl Medikamente, die Mehrheit, dem Menschen hilft. Das dürfen Sie nicht glauben.« Anna machte eine Pause. »Was ich sagen will, ist, wir sollen die Art und Weise hinterfragen, wie wir diese Medikamente entwickeln und testen. Noch einmal: Die Ergebnisse von Tierexperimenten lassen sich nicht mit der nötigen Sicherheit auf den Menschen übertragen. Das Tierexperiment kann keine wirklich verwertbare Aussage darüber treffen, ob und wieweit sich der menschliche und der tierische Organismus vergleichbar verhalten. In jedem Fall muss der gleiche Versuch mit einem unkalkulierbaren Risiko und einem kaum vorhersagbaren Resultat am Menschen wiederholt werden. Vorher ist jede übertragende Aussage Spekulation. Eine Konsequenz dieser wissenschaftlich nicht zulässigen Übertragung vom Versuchstier auf den Menschen sind die vielen für sicher gehaltenen Medikamente, welche in den letzten Jahrzehnten trotz exzessiver tierexperimenteller Erprobung wieder vom Markt genommen wurden, weil sie beim Menschen – im Gegensatz zum Tier – schwerwiegende oder gar tödliche Nebenwirkungen hervorriefen. Ich nannte bereits zwei Beispiele.«
In der folgenden Stunde entstand eine rege Diskussion. Sowohl zwischen Anna und den Zuhörern als auch unter den Zuhörern selbst. Maike hörte zu und beobachtete Anna. Einige im Saal setzten sich ernsthaft mit ihr auseinander. Anna ging nicht zimperlich mit ihren Widersachern um, dennoch respektvoll. Zeigte der ein oder andere Student bei einer Frage Anzeichen der Aggression, weil er sich vielleicht in ein falsches Licht gesetzt fühlte, lenkte Anna diese Aggression geschickt um, fragte nach seinem Namen, in welchem Bereich er studierte, in welche Richtung seine beruflichen Interessen gingen und ähnliches. Indem sie über sich selbst sprachen, wurden sie ein wenig abgelenkt. Zwei Minuten später kam Anna auf
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