Vertrau mir
ernst es ihr war.
»Ist Frau Roloff immer noch nicht aus ihrem Urlaub zurück?« fragte Anna den Mann, der in dem Büro saß, zu dem man sie schickte, als sie nach Maike fragte. Anna kannte ihn vom Sehen. Er war es, der mit Maike in Gersters Büro gekommen war. Maike war nicht da.
»Sie werden mit mir vorlieb nehmen müssen, Frau . . .?« Die Frage nach ihrem Namen hing unausgesprochen in der Luft.
»Ravensburg«, sagte Anna.
»Pelzer«, stellte er sich nun vor. »Frau Roloff wurde einer anderen Abteilung zugeteilt. Wenn Sie eine Aussage machen wollen, dann bin ich Ihr Ansprechpartner.«
»Wo finde ich sie?«
»Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.«
»Aber Sie müssen doch wissen, in welchem Büro sie jetzt sitzt.«
Pelzer schüttelte den Kopf. »Frau Roloff wurde einer Sondereinheit zugeteilt. Das Team ist immer dort, wo es gerade einen ungewöhnlichen Fall zu klären gibt. Überall in Deutschland. Dank Frau Roloffs ausgezeichneter Mitwirkung bei der Lösung des Norich-Falles, Sie haben vielleicht davon in der Zeitung gelesen, hat man sie in das Team geholt.«
»Wallbachs Team?« fragte Anna.
»Ja.« Erstaunen lag in Pelzers Gesicht. Er fragte sich sicher, woher sie den Namen kannte.
»Und Sie wissen nicht zufällig, wo dieses Team zur Zeit ist?«
»Nein. Und wenn ich es wüsste, dürfte ich die Information nicht an Sie weitergeben.«
»Verstehe.« Anna seufzte. Niedergeschlagen verließ sie das Büro.
Wie hätte sie ahnen sollen, dass Maike ausgerechnet in den wenigen Tagen, die sie ihr Zeit geben wollte, sich zu akklimatisieren, ihren Traumjob angeboten bekam. Dass Maike zugriff, konnte Anna ihr nicht verdenken. Warum sollte sie ablehnen? Von ihr, Anna, erwartete sie nach dem wochenlangen Schweigen nichts mehr. Was machte es also, dass dieser Job bedeutete, von Stadt zu Stadt zu ziehen, immer nur so lange an einem Ort zu bleiben, wie es dauerte, einen Fall zu lösen, und kaum zu Hause zu sein.
Ja, wenn sie beide eine Beziehung hätten, wäre das etwas anderes. Vielleicht! Vielleicht hätte Maike sich dann anders entschieden. Nicht einmal das war sicher. Sie hatten aber keine Beziehung. Im Gegenteil. Du selbst warst es, Anna, die Maike immer und immer wieder abgewiesen hat. Wunderte sie sich jetzt, wenn sie in Maikes Leben keine Rolle mehr spielte? Nein. Da Maike eine Frau war, die in ihrem Job aufging, bot ihr die Stelle in Wallbachs Team genau das, was sie – über eine spannende Arbeit hinaus – brauchte: ein Ziel. So konnte sie sich wieder auf sich selbst und ihre Karriere konzentrieren, wie sie es immer getan hatte. Vielleicht denkt sie ab und zu noch an dich, Anna, aber sicher nur mit einem Kopfschütteln.
Schmerzlich sah Anna ein, dass sie den richtigen Zeitpunkt verpasst, zu lange gewartet hatte. Jetzt, da sie bereit war einzulenken, war es zu spät. Maike stand beruflich endlich an dem Punkt, wo sie immer hin wollte, wo sie sich richtig entfalten konnte. Sollte sie da ankommen und Maike bitten, in die Enge einer mittleren Großstadt zurückzukehren, nur um bei ihr zu sein? Nein! Das stand ihr nun wirklich nicht zu. Lang genug hatte sie sich egoistisch aufgeführt. Wenn ihr Maike etwas bedeutete, und das tat sie, durfte sie ihr jetzt nicht im Weg stehen.
Maike wusste auch nicht so recht, warum sie Greta anrief. Wahrscheinlich hoffte sie, etwas über Anna zu hören. Aber Greta erwähnte sie nicht. Vielleicht aus Rücksicht auf Maike, vielleicht ohne irgendeinen besonderen Grund. Jedenfalls unterließ Maike es deshalb, nach Anna zu fragen.
Da Maike annahm, Anna würde sowieso irgendwie von ihrer Versetzung erfahren, zufällig oder weil sie sich doch mal nach ihr erkundigte, erzählte sie Greta von sich aus davon. Maike war sich sicher, Greta würde es an Anna weitergeben.
Maike meinte zu merken, wie Greta bei der Information für eine Sekunde mit einer Antwort zögerte. Glaubte die nun auch, alles war so geplant gewesen und Anna nur Mittel zum Zweck? Als Maike den Job in Wallbachs Team annahm, war ihr nicht unmittelbar bewusst, dass sie damit praktisch Annas Theorie unterstützte. Das ging ihr erst später auf. Doch dann sagte sie sich: Wozu jetzt noch Rücksicht darauf nehmen?
Greta fing sich schnell. Ihre Stimme und ihre Worte ließen nicht darauf schließen, dass sie Maike misstraute. Aber die wusste, für eine Sekunde hatte Greta Zweifel gehabt. Und Maike konnte sich an fünf Fingern ausrechnen, was Anna denken würde, wenn sie davon erfuhr. Damit kannst du das Kapitel
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