Vertrau mir
Anna endgültig ad acta legen. Andererseits: Das Kapitel war sowieso beendet. Warum zerbrach sie sich überhaupt immer noch den Kopf darüber?
Anna saß seit dem Morgen am Computer, um der Kalkulation für den neuen Kreditantrag den letzten Schliff zu geben. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es bereits Mittag durch und Zeit für eine Pause war.
Das Telefon klingelte. »Maike ist zurück«, verkündete Greta.
»Weiß ich schon«, lautete Annas karge Antwort. Sie stand auf, ging in die Küche. Heute morgen hatte sie frische Brötchen beim nahegelegenen Bäcker gekauft. Nun konnte sie sich gut vorstellen, eines mit einem leckeren Belag zu verputzen. Während Anna mit der einen Hand die Zutaten zusammensammelte, hielt sie mit der anderen den Hörer und hörte Greta fragen. »Willst du nicht mehr mit ihr sprechen?«
»Nein. Besser nicht.« Das Aufschneiden des Brötchens mit nur einer Hand gestaltete sich schwierig. Anna presste den Hörer mit der Schulter gegen ihr Ohr und bekam so beide Hände frei.
»Komisch. Sie hat auch gar nicht nach dir gefragt.«
Anna stellte ihre Aktivitäten hinsichtlich des Brötchens für einen Moment ein. Ein Kloß setzte sich in ihrem Hals fest. Sie schluckte ihn tapfer runter. »Sie hat sicher anderes zu tun, als nach mir zu fragen. Wie ich gehört habe, ist sie jetzt in Wallbachs Team.«
Greta pfiff leise. »Ach, daher weht der Wind. Du weißt davon.«
»Was meinest du?« Anna nahm die Butter, schmierte sie auf die beiden Hälften.
»Tu doch nicht so. Du glaubst jetzt, dass du recht hattest. Dass Maike wirklich nur daran gelegen war, in Wallbachs Team zu kommen. Und nun fühlst du dich in deiner Theorie bestätigt.«
Merkwürdig. Bisher hatte Anna noch gar nicht daran gedacht, dass man die Dinge so auslegen konnte. Es kam ihr nicht im entferntesten in den Sinn. Sie traute es Maike nicht mehr zu. Was ja wohl so viel bedeutete wie, dass sie ihr vertraute. Schade nur, dass Maike davon nichts mehr erfuhr.
»Nein, wirklich nicht«, sagte Anna zu Greta, während sie Salamischeiben aus der Verpackung zottelte. »Ob du es glaubst oder nicht, in die Richtung hatte ich noch gar nicht gedacht.«
Greta konnte Anna nicht folgen. »Ja warum willst du denn dann nicht mehr mit ihr reden? Sie lässt den Job vielleicht Job sein und kommt zurück, wenn du sie darum bittest.«
»Eben, und genau das will ich nicht. So einen Job hat Maike immer gewollt. Mitglied in Wallbachs Team zu sein, ist für sie wie ein Sechser im Lotto. Wenn ich jetzt zu Maike sage, ich will mit ihr zusammen sein, lässt sie diesen Job vielleicht sausen. Ich würde es nicht verlangen, aber sie würde sich unter den gegebenen Umständen sicher dazu verpflichtet fühlen. Deshalb kann ich unmöglich zu ihr gehen.«
Greta stöhnte laut am anderen Ende der Leitung. »Das ist ja zum Mäusemelken mit dir. Kannst du es nicht einmal unkompliziert machen? Sag Maike, was los ist, und lass sie selbst entscheiden!«
»Geht nicht, denn ich muss auch mit dieser Entscheidung klarkommen. Und ich würde mich schuldig fühlen, wenn Maike Wallbach wieder absagt. Bei jeder Auseinandersetzung, die wir haben, würde ich denken, sie bereut ihre Entscheidung und dass ich ihr nur ein Klotz am Bein bin.« Lustlos legte Anna eine Scheibe rote Bete auf die Wurst. Der Imbiss war fertig.
Greta seufzte genervt. »Ich glaube, du brauchst einen Psychiater, meine Liebe. Dein Selbstwertgefühl hat einen erheblichen Knacks. Erst machst du uns alle mit deiner Sie nutzt mich nur aus -Leier schwach. Und nun, wo du das überwunden hast, gefällst du dir in der Ich habe Angst, ihr im Wege zu stehen -Rolle. Na klar. Ist ja auch viel bequemer, als zu Maike zu gehen und zuzugeben, dass du dich geirrt hast. Sie zu bitten, dir zu verzeihen, und es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Wo doch dieser Versuch nur wieder neue Risiken birgt. Ihr seid beide so unterschiedlich, dass Probleme geradezu vorprogrammiert sind. Das weißt du auch. Du weißt, sehr oft wirst du dir die Frage stellen müssen, ob du Maike glauben, ob du ihr vertrauen kannst. Und eines Tages enttäuscht sie dich vielleicht. Und genau davor hast du Angst.«
»Ja«, gab Anna zu. Greta hatte recht. Genau davor hatte sie Angst. Sie hatte sich zwar endlich überwunden, Maike in diesem einen Punkt zu glauben. Doch sie wusste nicht, was als Nächstes kam. Wann sie wieder Zweifel bekam, und ob sie die erneut besiegen würde. Mit ihren ewigen Zweifeln würde sie aber sowohl Maike als auch sich selbst auf
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