Vertrauen
anderer Weg, an der Kraft der Vorfahren teilzuhaben, sind die Rituale. Sie schaffen Vertrautes und bilden so Vertrauen. Manche Familien praktizieren an Weihnachten Rituale, die seit Jahrhunderten in ihren Familien vollzogen wurden. Die Rituale geben ihnen Anteil an der Glaubenskraft und Lebenskraft ihrer Vorfahren. Indem sie die gleichen Rituale vollziehen wie ihre Vorfahren, spüren sie, dass sie aus den gleichen Wurzeln ihre Kraft beziehen wie ihre Vorfahren. In ihnen wächst das Vertrauen, dass sie dieSchwierigkeiten, die sich ihnen in den Weg stellen, auch bewältigen werden. Sie fühlen sich nicht allein gelassen und wurzellos, sondern verbunden mit der Kraft und mit dem Glauben ihrer Vorfahren.
Ein andere Form des Bedürfnisses, die Heimat zu erfahren und durch die Erfahrung der Heimat innere Kraft und Selbstvertrauen zu gewinnen, lässt sich heute in vielen Dörfern beobachten. Die Menschen dort versuchen, gegen den Zeittrend bewusst die Dorfgemeinschaft zu stärken und gemeinsame Projekte durchzuführen, die alle miteinander verbinden. Und sie schreiben Dorfchroniken. Sie erforschen die Geschichte des Dorfes, der Heimat, der Stadt, um zu erkennen, wie ihre Vorfahren gelebt haben und wie sie die Probleme ihrer Zeit durchgestanden haben. Überall entstehen Heimatvereine, in denen die Lieder der Heimat gesungen werden. Oft sind diese Lieder voller Schwermut und Melancholie. Aber in diesen Liedern wird die Sehnsucht nach den Wurzeln der Vergangenheit ausgedrückt. Die Vergangenheit wird nicht verklärt. Es war keine heile Welt. Aber sie zeigt, wie die Menschen mit ihrem Leben fertig geworden sind. Der Blick auf die Heimat stärkt das Vertrauen in die eigene Kraft. Das ist das Gefühl, das durch die Erfahrung von Heimat die Menschen berührt: Ich muss mir die Kraft nicht selbst erarbeiten. Sie steckt in mir. Sie ist mir vermittelt von den Vorfahren.
Freunde sind Heimat
G erade in der Anonymität unserer Zeit braucht es Orte der Heimat, Sie sind nicht nur geographisch festgelegt. Solche Orte der Vertrautheit sind dort, wo ich zu Hause sein kann. Und das ist dort, wo Freunde sind. Wo Freundschaft gelebt und erfahren wird, entsteht Heimat. Echte Freundschaft zeichnet sich durch beides aus: durch innere Verbundenheit, aber auch durch innere Freiheit aus. Beides sind nur verschiedene Seiten des gegenseitigen Vertrauens: Unter Freunden darf ich sagen, was ich fühle, ohne alles berechnen zu müssen. Hier bin ich frei, den Weg zu gehen, den ich als richtig erkannt habe. Ich brauche keine falsche Rücksicht auf den Freund zu nehmen. Ich kann in diesem Umfeld frei atmen. Und ich lasse auch dem Freund den Freiraum, den er für sein Leben braucht. Der Freund hört genau hin, was mich im Innersten bewegt. Er hört sich in mich hinein, um zu entdecken, was die Grundmelodie meines Lebens ist, er nimmt wahr, wo und wie mein Leben zum Schwingen und Tönen kommt. Er spiegelt mich und erinnert mich an das, was ich im Tiefsten bin. Seine Aufgabe ist also mehr, als mich nur zu verstehen und mehr als nur bei mir zu stehen. Er nimmt vielmehr die Melodie meines Herzens in sich hinein, um sie dann wieder neu zum Klingen zu bringen, wenn sie in mir verstummt ist.
Halt in Beziehungen
A lles ändert sich heute rasend schnell und mit großem Getöse. Um im Trubel der Ereignisse einen festen Stand zu finden, muss ich erst einmal stehenbleiben, anstatt immer weiterzuhetzen. Stehenbleiben heißt: still werden. „Stille“ kommt von „stellen“. Ich stelle mich hin, um auf die Stille zu horchen, die um mich herum und die in mir ist. In der Stille bekomme ich einen festen Stand. Ich halte es aus bei mir. Ich weiß mich getragen. Wenn ich stehenbleibe, kann ich mich fragen: Was gibt mir Stand? Was sind meine Wurzeln, die mir Sicherheit geben? Da werde ich die Wurzeln in meiner Lebensgeschichte entdecken. Ich habe teil an den Wurzeln der Eltern und Großeltern, an den Wurzeln der Menschen in meiner Heimat. Ihre Lebenseinstellung, ihre Weisheit, ihre Art und Weise, auf die Probleme und Konflikte des Lebens zu reagieren, haben sich in mich eingeprägt. Sie geben mir Festigkeit. Ich habe Stehvermögen, wenn ich zu mir stehen kann, so wie ich bin. Für mich einstehen, zu mir stehen, das sind die Voraussetzungen, mitten in der Hektik der Zeit einen festen Stand zu finden.
Auch der Glaube kann mitten in der Hektik der Verhältnisse und im turbulenten Wechsel der Möglichkeiten einen guten Stand geben. Der Hebräerbrief definiert den Glauben als
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