Vertrauen
die ihren eigenen Weg gehen können, werden auch immer wieder zurückkommen zu den Eltern und dankbar sein für das Vertrauen, das sie erfahren haben.
Sich selbst Vater sein, sich selber Mutter sein
D as Kind lernt Vertrauen vor allem in der Beziehung zu seinen Eltern. Der Erwachsene hat die Aufgabe, mit dem, was er an Vertrauen gelernt hat, umzugehen. Er kann sich nicht immer nur abhängig machen, von mütterlichen oder väterlichen Menschen, die ihm das Gefühl von Heimat geben oder die ihm den Rücken stärken. Er muss sich selbst Vater und Mutter sein. Er muss mit sich mütterlich umgehen, das kleine Kind, das in ihm steckt und das oft genug bedürftig nach Liebe ist, in den Arm nehmen und es wiegen, damit er bei sich selbst daheim sein kann. Eine Frau, die jahrelang in der Therapie ihre schwierige Mutterbeziehung angeschaut hatte, meinte, jetzt sei sie fähig, mit ihrer Mutter in Urlaub zu fahren. Doch die gemeinsame Woche mit der Mutter wurde zur großen Enttäuschung. Sie hatte erwartet, dass die Mutter ihr doch einmal sagen würde: „Du bist meine Lieblingstochter. Ich mag dich. Ich bin dankbar, dass du da bist. Ich bin stolz auf dich.“ Ich sagte ihr, dieses Wort würde sie nie von der Mutter hören. Das müsse sie sich selber sagen. Sie muss für sich selbst Mutter sein.
Wenn wir älter werden, sehnen wir uns immer noch nach Vätern, an die wir uns anlehnen können, die uns Sicherheit bieten. Es können die leiblichen Väter sein oder Lehrer, Priester, Seelsorger, Therapeuten, die für uns Ersatzväter darstellen. Auch wenn wir unser Leben bestehen und für andere Vater sind, sehnen wir uns danach, uns anlehnen zu können, wieder Ermutigung zu erfahren von einem väterlichen Menschen. Das Bedürfnis können wir nicht aus uns herausreißen. Wir sollen es ruhig zulassen. Aber zugleich sollten wir für uns selbst Vater sein, der dem kleinen Sohn oder der kleinen Tochter in uns den Rücken stärkt, der ihm oder ihr Mut macht, das Leben zu wagen und weiter zu kämpfen, damit das Leben gelingt.
Verletztes Vertrauen
I n der geistlichen Begleitung höre ich oft, dass Menschen erleben mussten, wie ihr Vertrauen missbraucht worden ist. Sie haben dem Freund oder der Freundin etwas erzählt. Nun benutzt sie es gegen einen. Sie erzählt es ihrer Freundin weiter. Und auf einmal weiß die ganze Straße, was ich der Freundin im Vertrauen erzählt habe. Oder aber der Freund missbraucht das Vertrauen der Freundin. Er weiß, dass sie ihn liebt und ihm vertraut. So geht er leichtsinnig noch eine andere Freundschaft ein und trifft sich heimlich mit der anderen Frau. Oder ein Ehepaar hat jahrelang ineinander Vertrauen gehabt. Jetzt offenbart der Mann der Frau auf einmal, dass er sie nie geliebt habe. Solche Verletzungen machen einen Menschen unfähig, wieder Vertrauen zu gewinnen. Zumindest hinterlassen sie in ihm ein tiefes Misstrauen. Er hatte gedacht, sich auf den andern und auf sein Gefühl verlassen zu können. Doch offensichtlich hat er sich getäuscht.
Wer solche Verletzungen seines Vertrauens erlebt hat, tut sich schwer, wieder neu Vertrauen zu fassen. Er hat Angst, sich auf einen Freund oder eine Freundin einzulassen. Es könnte ja wieder nur Einbildung sein. Ich könnte ja wieder so enttäuscht werden. Verletzungen des Vertrauens tun weh. Sie hinterlassen eine tiefe Wunde in meiner Seele. Denn im Vertrauen habe ich mich weit geöffnet. Wenn der andere das, was ich ihm im Vertrauen erzählt habe, überall heraus posaunt oder gar noch lächerlich macht, dann traue ich mich nie mehr, etwas von mir zu erzählen. Ich verschließe mich immer mehr. Aber damit schneide ich mich nur vomLeben ab. Ich kenne die Tendenz, dem andern nie mehr etwas von mir zu erzählen. Aber wenn ich diese Tendenz in mir wahrnehme, sage ich mir: „Lieber weiterhin vertrauen und im Vertrauen verletzt werden, als mich verschließen und nur misstrauisch durch die Welt zu laufen.“ Es tut zwar weh, wenn mein Vertrauen missbraucht worden ist. Aber ich stehe zu mir. Ich sage weiterhin das, was ich für richtig halte. Ich lasse mich nicht von dem, der mein Vertrauen missbraucht hat, für die Zukunft daran hindern, einem andern zu vertrauen. Ich weiß, dass das nicht so einfach ist. Wenn das Vertrauen brüchig geworden ist, braucht es Zeit, bis es wieder wächst. Aber es ist für mich auch eine Sache der Entscheidung. Ich entscheide mich für das Vertrauen, auch mit dem Risiko, dass es verletzt ist. Das ist für mich wirkliches Leben. Das
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