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Vertrauen

Titel: Vertrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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etwas davon; denn sie fürchteten sich.“ (Mk 16,8) Schon für die Kirchenväter war dieser Schluss des Markusevangeliums ein Rätsel. Das letzte Wort der frohen Botschaft heißt: Sie fürchteten sich sehr. Die Angst bewirkt in den Frauen ein Zittern des Leibes und ein Erschauern und Entsetzen. Sie sehen das leere Grab und sie erblicken in diesem Grab, in dem der tote Leichnam Jesu gelegen hatte, einen Engel in lichtem Gewand. Diese Erfahrung der Todesüberwindung bewirkt in ihnen Furcht. Es ist keine Todesangst, sondern das Betroffensein vom Geheimnis der Auferstehung. In diesem Schlusswort des Markus wird deutlich, dass wir die Botschaft von der Auferstehung Jesu nur mit einem betroffenen Herzen verkünden können. Wir können über sie nicht distanziert reden und auch nicht mit Selbstsicherheit und Klarheit. Es ist und bleibt ein Geheimnis, wie Jesus den Tod zu überwinden vermochte. Und immer wieder müssen wir selbst die Angst und das Entsetzen und Zittern der Frauen erleben, um dieses Geheimnis zu verstehen.
    Bei Lukas und Johannes grüßt der Auferstandene die Jünger nicht mit dem „Fürchtet euch nicht!“, sondern mit dem Friedensgruß: „Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36; Joh 20,19.21.26) Auch Lukas spricht von der Angst der Jünger, als der Auferstandene in ihre Mitte trat: „Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen.“ (Lk 24,37) Doch bei Lukas und Johannes beruhigt Jesus die Angst der Jünger, indem er ihnen den Frieden wünscht. Der Friede ist die österliche Gabe des Auferstandenen. Weil der Tod überwunden ist, ist die innere Zerrissenheit, in die unsdie Todesangst hineintreibt, geheilt. Im österlichen Frieden hat die Todesangst keinen Platz mehr.
    Für Lukas ist die Botschaft vom Tod und der Auferstehung Jesu die Zusammenfassung der gesamten Heiligen Schrift. In der Auferstehung Jesu wird vollendet, was Gott schon im Alten Testament den Frommen verheißen hat: Er ist ein Gott, der uns aus der Grube befreit, der uns den Schlingen des Todes entreißt, der das Tote lebendig macht. Auferstehung ist die Verheißung, dass es nichts mehr gibt, was nicht verwandelt werden kann. Sogar der Tod kann in Leben verwandelt werden, die Dunkelheit in Licht, das Grab in einen Ort, an dem Engel die frohe Botschaft vom Sieg der Liebe über den Tod verkünden. Diese Botschaft von der Auferstehung Jesu war für die Menschen in Israel, aber auch im römischen Reich, etwas Faszinierendes. Sie hat ihre Todesangst angesprochen und geheilt.
    Wir feiern in der Eucharistie immer wieder den Tod und die Auferstehung Jesu, um unsere Todesangst zu überwinden. Jesus hat uns das Vermächtnis der Eucharistie gestiftet, um uns täglich darauf hinzuweisen, unsere Angst vor dem Tod anzuschauen und sie zu verwandeln. Die Eucharistie konfrontiert uns mit der Todesangst. Aber sie ist zugleich die Zusage: Jesus hat den Tod überwunden. Wir erleben ihn unter uns als den, der gestorben und auferstanden und jetzt bei und in uns gegenwärtig ist. Die Eucharistie hebt auch die Trennung zwischen Leben und Tod, zwischen den Lebenden und Verstorbenen, zwischen Himmel und Erde auf. In ihr dürfen wir die Gemeinschaft mit denen erfahren, die vor uns gestorben sind. Wir feiern in ihr, dass der Tod uns nicht von Gott zu trennen vermag und dass er auch die Gemeinschaftmit denen, die wir lieben, nicht zerstören wird. Die Liebe ist stärker als der Tod. In der Eucharistie denken wir nicht über die Überwindung unserer Todesangst nach. Vielmehr feiern wir in einem Ritual den Sieg der Liebe über den Tod. Wir feiern den Tod und die Auferstehung Jesu, damit diese Auferstehung auch unsere täglich aufblitzende Todesangst allmählich wandelt.
    Angesichts der Todesangst sollten wir uns immer wieder an Gott erinnern lassen: „Ja, ich werde sterben, ob jetzt oder später, das weiß ich nicht. Mein Leben ist begrenzt. Ich werde im Tod zu Gott kommen. Aber jetzt in diesem Augenblick lebe ich. Und diesen einen Augenblick will ich bewusst leben, vor Gott und in Gott.“ Auch Todesangst kann so zur Begleiterin werden auf dem Weg zu Gott. Sie kann zur Erinnerung an unser Sein in Gott werden und uns sagen: Sowohl im Leben als auch im Tod bin ich in Gott. Und so macht es keinen großen Unterschied, ob ich lebe oder sterbe. Das wird uns daran erinnern, dass wir Menschen sind und nicht Gott, dass wir sterblich sind und nicht unsterblich. Doch in unserer Sterblichkeit begeben wir uns zu Gott. In ihm wird unsere Sehnsucht nach

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