Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
Alle, die in diesem Raum und unter diesem Dach versammelt waren, waren Teile von Miras Leben.
Nachdem sie tagelang versucht hatte, Kellan zu überzeugen, zusammen mit ihr zu fliehen, alles hinter sich zu lassen und dem Schicksal davonzulaufen, das er in ihren Augen gesehen hatte, erkannte sie erst jetzt, welch hohen Preis sie dafür bezahlt hätte.
Aber Kellan hatte es gewusst.
Selbst angesichts seines eigenen Todes, der über ihm schwebte, hatte er Mira nicht erlaubt, allen den Rücken zu kehren, die sie liebte, nur um mit ihm ein Leben im Exil und im Untergrund zu führen. Er hatte sich dafür entschieden, seinem tödlichen Schicksal ins Auge zu sehen, um sicherzugehen, dass sie ihren Weg zurückfand, dorthin, wohin sie gehörte.
Für dieses Opfer liebte Mira ihn mehr als je zuvor.
Sie nahm das Skalpell vom Nachttisch neben dem Bett. Sie machte einen kleinen Einschnitt an ihrem Handgelenk und hielt die blutende Wunde an seinen schlaffen Mund. Sie streichelte sein Haar, seine Wange und ermutigte ihn leise zum Trinken. Tiefrot rann ihr Blut auf seine Zunge, sein kupfriger Geschmack vermischt mit ihrem typischen, individuellen Lilienduft. Kellan reagierte nicht sofort, er schluckte langsam, als ihr Blut ihm in die Kehle rann.
»Gut so«, flüsterte Mira. »Trink von mir, Kellan. So viel du brauchst.«
Seine Lippen bewegten sich, um ihre offene Ader zu finden. Dann drückte sich seine Zunge an ihre Haut, warm und suchend. Er nahm einen weiteren Schluck. Dann noch einen.
Mira streichelte ihn, als er von ihr trank, spürte durch ihre Blutsverbindung, wie langsam seine Kräfte wiederkehrten. »Trink weiter«, sagte sie sanft zu ihm. »Komm zurück zu mir.«
Sie bemerkte die anderen im Raum kaum noch, war völlig auf Kellan konzentriert. Darauf, ihn zu heilen. Ihn wieder ganz gesund zu machen.
»Lassen wir sie jetzt alleine«, sagte Renata und führte die Gruppe der Krieger und ihrer Gefährtinnen aus dem Raum. An der Tür blieb sie noch einmal stehen und lächelte Mira liebevoll zu. »Ich hab dich lieb, Maus.«
Mira nickte und lächelte traurig zurück. »Ich dich auch, Rennie.«
Sie liebte sie alle, die einzige Familie, die sie je gekannt hatte. Und sie liebte Kellan, den Mann, dem vom ersten Augenblick an ihr Herz gehört hatte.
Sie wollte sich nicht entscheiden. Sie wollte beides.
Egoistisch und verzweifelt wollte sie beides.
Vier Stunden später stand Lucan Thorne neben seiner Stammesgefährtin Gabrielle auf der Festveranstaltung des Friedensgipfels und kam sich in seinem schwarzen Anzug, dem schwarzen Hemd und den polierten schwarzen Schuhen wie ein verdammter Leichenbestatter vor.
Der Rest des Ordens, der auf dem Empfang Dienst schob, war ähnlich ausstaffiert, ein Sicherheitsteam von fast zwanzig Mann in maßgeschneiderten Anzügen und diskret verdeckten Waffen. Nicht, dass sie unauffällig waren. Die Präsenz der fast zwei Meter großen, muskelbepackten Stammeskrieger, die ernst und bedrohlich in allen Ecken der eleganten Halle stationiert waren, war kaum zu übersehen.
Das war der von Lucan beabsichtigte Effekt auf die über tausend Würdenträger und Staatsoberhäupter, Menschen und Vampire aus diversen Teilen der Welt.
Der Orden war präsent und wachsam.
Um das zu demonstrieren, brauchten sie kein Waffenarsenal. Es war offensichtlich, im Gang jedes Kriegers, in ihren stählernen Augen und strengen Gesichtern. Und in der übernatürlichen Macht, die jeder einzelne von Lucans Kriegerbrüdern ausstrahlte, sogar in entspanntem Zustand. Sie waren tödlich kühl und wachsam. Aber sie waren hier, um den Frieden zu wahren, nicht um die Flammen von Unruhe oder Misstrauen zu schüren.
Was er von den über dreißig Cowboys nicht sagen konnte, die in Uniformen von Crowe Industries umherstolzierten, jeder mit einem Paar Schießeisen an den Hüften. Lucan machte ein finsteres Gesicht, als der eitle Pfau, der diese unqualifizierten Trottel kommandierte, vom anderen Ende der Menge auf ihn zugeschlendert kam.
Gabrielle legte ihm die Hand auf den Arm, lehnte sich leicht an ihn und sprach durch ihr hübsches, diplomatisches Lächeln. »Versuch, nett zu sein. Das ist eine Party, weißt du noch?«
Lucan, Reginald Crowe im Blick, senkte den Kopf und stieß ein Knurren aus.
Schwerreich und mit dem schmierigen Grinsen des geborenen Verkäufers kam Crowe in seinem schwarzen Smoking und weißen Hemd auf sie zu, ein schlankes Sektglas mit prickelndem Champagner zwischen den Fingern seiner linken Hand. Er war
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