Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
Hauptquartier in D. C., die eine riesige und ständig anwachsende Geschichte des Stammes und seiner außerirdischen Ursprünge beherbergte. Eine Geschichte, die der Orden in den letzten zwanzig Jahren durch die Arbeit einer einzigen außergewöhnlichen Frau gesammelt hatte. »Du hast Jennas Aufzeichnungen gelesen?«
Dare lächelte trocken. »Ich habe jede Menge Freizeit und verbringe nicht alles davon auf Facebook.«
Lucan kicherte, froh, dass ihr Gespräch doch nicht wieder in einer hitzigen Pattsituation enden würde. »Was hast du gefunden?«
Kaum hatte er es ausgesprochen, erschien Gideon in der offenen Tür von Lucans Arbeitszimmer. Der stachelige blonde Haarschopf des Stammesvampirs war zerzauster als sonst, stand in alle Richtungen ab, als hätte er sich eben mehrfach das Haar gerauft, wie er es oft tat, wenn er sich einem Problem gegenübersah, das er nicht innerhalb von drei Sekunden lösen konnte. Oder wenn er die undankbare Aufgabe hatte, Überbringer schlechter Neuigkeiten zu sein.
Als Gideon jetzt über seine randlose silberne Brille spähte, sagte der Blick seiner blauen Augen, dass Lucan nichts Gutes bevorstand.
»Ein Problem mit den Sicherheitssystemen?«, riet er und stand auf, um den anderen Krieger zu begrüßen, der jetzt in den Raum trat.
»Ein Problem in Boston, gerade eben.« Gideon nickte Darion leicht zu, dann sah er Lucan um Erlaubnis bittend an, vor dem jüngeren Mann über Ordensangelegenheiten zu reden.
Lucan senkte zustimmend das Kinn und runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
Lucan hörte zu, als Gideon ihm eine Kurzzusammenfassung des Vorfalls in dem Club gab, bei dem zwei der höchst ausgezeichneten Teams des Ordens von JUSTIS verhaftet worden waren. »Sie hat einen unbewaffneten Zivilisten mit tödlichen Waffen angegriffen, unprovoziert. In einer öffentlichen Einrichtung.«
»Nicht, dass Mira es nötig hat, dass ich sie in Schutz nehme«, warf Gideon ein, »aber offenbar hat der Mensch, den sie in den Club verfolgt hat, Verbindungen zu Rebellengruppen in der Gegend.«
»Nein, sie hat es nicht nötig, dass jemand sie in Schutz nimmt«, antwortete Lucan, und sein Blut kochte vor Wut. »Und du weißt so gut wie ich, dass sie alles im Visier hat, was auch nur entfernt nach Rebellenaktivitäten riecht. Aber das gibt ihr noch nicht das Recht, ein halbes Dutzend Gesetze zu brechen und sich meinen Befehlen zu widersetzen.«
Weder Gideon noch Dare sagten etwas in der Stille, die sich über den Raum senkte, während Lucan darüber nachdachte, wie er mit seinem weiblichen Captain verfahren sollte. »Wo ist sie jetzt?«
»Es wurde keine Anzeige erstattet, also wurden beide Teams wieder freigelassen, kurz nachdem die JUSTIS -Beamten das LaNotte geräumt haben. Sie dürften jetzt alle bei Chase im Operationszentrum Boston sein und auf weitere Anweisungen warten.«
Lucan knurrte. »Sie hat Glück, dass diese Scheiße ausgerechnet dort passiert ist. Wahrscheinlich hat der Eigentümer vom LaNotte es sich was kosten lassen, dass JUSTIS die Sache fallen gelassen hat. Was diesen Menschen angeht, aus dem Mira Schaschlik machen wollte – wer weiß, warum er sie nicht angezeigt hat. Tut nichts zur Sache.«
Gideon nickte. »Was soll ich jetzt machen?«
»Sag Chase, er soll Miras Team sofort nach Montreal zurückschicken. Sie bleibt. Ich will sie auf Videokonferenz. Und zwar pronto.«
3
Mira stieß einen Fluch aus, als sie ihre Klinge fliegen ließ, auf einer schweißtreibenden Einzelsession im Trainingsraum des Bostoner Operationszentrums des Ordens. Es war spät – oder vielmehr früh. Knapp drei Uhr morgens, und sie hätte eigentlich im Bett sein sollen nach dieser schlimmen Nacht, die nur noch schlimmer geworden war, als Lucan Thorne ihr persönlich eine wohlverdiente Standpauke gehalten und sie mit sofortiger Wirkung vom aktiven Dienst suspendiert hatte.
Aber nach der Videokonferenz mit Lucan hatte Mira sich nicht hingelegt, sondern war direkt zum Schießstand in den Keller gegangen. Die letzte Stunde hatte sie sich hart geschunden, ihren Körper zur totalen Erschöpfung getrieben, um die Wut und Frustration loszuwerden, die ihr immer noch so schwer im Magen lagen.
Ihre Ausbildung hatte sie bessere Disziplin gelehrt, als sie vor einigen Stunden in der Stadt zur Schau gestellt hatte, und abgesehen vom Tadel des Gründers und Anführers des Ordens hasste sie es auch, dass sie sich von ihren Emotionen hatte leiten lassen. Und umso mehr, weil sie mit dieser impulsiven Aktion die
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