Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
die er jemals geliebt hatte.
Aber er war nicht weit genug fortgegangen.
Er konnte seinem Schicksal nicht davonlaufen, und jetzt hatte es ihn eingeholt und traf ihn hart mitten ins Gesicht.
Kellan fluchte leise vor sich hin und stapfte dann aus dem Wohnraum. Der Versuchung zu Mira zu gehen gab er nicht nach, sondern richtete seine Schritte in Richtung der Zelle tief im Inneren der alten Festung.
Er war aufgebracht und aggressiv – was konnte es also für einen besseren Zeitpunkt geben, dem Mann, der eine kleine Einschüchterung wirklich verdiente, einen Besuch abzustatten. Jeremy Ackmeyer saß im Dunkeln in dem feuchtkalten Raum, der eine Grundfläche von höchstens neun Quadratmetern aufwies. Die Zelle war nicht mehr als ein fensterloser Zementwürfel. Das schwere Metallgitter war mit einem Nummernschloss gesichert. Die Gitterstäbe hatten Rost angesetzt, doch sie waren unzerstörbar. Nicht, dass Ackmeyer es versucht hätte.
Der schlaksige junge Mann war dünn und sehnig. Seine Jeans waren ihm ein paar Nummern zu groß, und er trug ein altes kariertes Hemd mit einer verdeckten Knopfleiste. Jeremy Ackmeyer stand in der Mitte seines Gefängnisses und rührte sich nicht. Lange mausbraune Strähnen hingen ihm in die Stirn und über die dicken Gläser seiner Brille. Er hatte den Kopf eingezogen und die dünnen Arme um sich geschlungen, die Hände eng an seinen Körper gepresst. Als Kellan sich dem Gitter näherte, blickte er ihm misstrauisch entgegen, sagte aber nichts.
Candice hatte Ackmeyer schon vor Stunden das Abendessen gebracht, doch das Tablett stand unberührt auf der betonierten Bank in der Zelle. Abendessen war wahrscheinlich eine beschönigende Übertreibung für das Dosenfutter aus Armeebeständen, das sie dem Gefangenen servierten. Allerdings hatten Kellan und seine Art keinerlei Erfahrung mit menschlichen Nahrungsvorlieben.
»Was ist los, Ackmeyer? Schmeckt dir der Rebellenfraß nicht?« Kellans Stimme hallte von den Wänden wider, mit einem dunklen, feindseligen Klang. »Oder ist dein Geschmack vielleicht ein bisschen zu vornehm für so ein einfaches Essen?«
Der Mensch blinzelte kurz hinter den dicken Gläsern, die seine Augen verzerrt erscheinen ließen. Er schluckte krampfartig, und sein Adamsapfel bewegte sich auf und ab. »Ich habe keinen Hunger. Ich würde gerne diese Zelle verlassen. Es riecht sehr modrig hier, und in der Ecke ist alles voll von schwarzem Schimmel.«
Kellan grinste. »Die Beschwerde leite ich sofort an den Hausmeister weiter.«
»Es ist ziemlich ungesund. Sogar giftig.« Ackmeyer wirkte nicht arrogant, sondern eingeschüchtert. Er trat von einem Bein aufs andere und machte linkische, ängstliche Bewegungen. Gar nicht wie ein teuflischer Wissenschaftler, sondern wie ein nervöses, verwirrtes Kind. »Das Gift des Schwarzschimmels wird durch die Luft übertragen. Ist Ihnen klar, dass die Sporen sich exponentiell millionenfach vermehren? Tödliche Sporen, die wir beide jetzt im Moment in unsere Lungen einatmen. Bitte … wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden Sie die Zelle aufschließen und mich hinauslassen?«
Kellan konnte den Mann nur wortlos anstarren. Es war unfassbar, aber offenbar hatte der Kerl mehr Angst vor mikroskopisch kleinen Bakterien als vor der tödlichen Gefahr, die direkt vor ihm stand. Und wenn Ackmeyer ihm hier etwas vorspielte, dann war er ein erstklassiger Schauspieler. »Du kommst hier nicht raus, bis ich es erlaube. Und das heißt, du hältst entweder den Atem an oder du trennst dich mal ganz schnell von deinen Neurosen.«
Bei dem scharfen Ton in Kellans Stimme fuhr Ackmeyer erschrocken zurück. Er spielte am Saum seines Hemds herum, das er über der Jeans trug, dabei zog er seine dünnen Augenbrauen zusammen. »Was ist mit der Frau?«
»Was soll mit ihr sein?«, knurrte Kellan.
»Sie war vor meinem Haus, als die Entführer kamen. Ich habe gehört, wie sie nach mir gerufen hat, kurz bevor ich niedergeschlagen wurde.« Er schaute hoch, und der weiche Blick in seinen braunen Augen verriet, wie besorgt er war. »Geht es ihr … gut?«
»Um die Frau brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Kellan trat näher an das Eisengitter und stierte Ackmeyer durch die Stäbe hindurch an. Er stieß ein kurzes raues Lachen aus, das in der Stille des Bunkers bitter klang. »Ich soll wohl denken, dass dir etwas am Wohl anderer Leute liegt, was? Aber wenn du auf Milde hoffst, bist du bei mir an der falschen Adresse.«
Ackmeyer blinzelte ein paarmal und schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher