Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
gelernt. Er kümmerte sich um sie, weil sie Soldaten unter seinem Kommando waren, mehr nicht. Und nun war auch Mira fort.
Wenn sie nicht gesund und unverletzt wieder zurückkam … Nathan hatte keine Ahnung, wie er dann weiterleben sollte.
Nein, verbesserte er sich in Gedanken.
In den ersten dreizehn Jahren seines Lebens hatte man ihm beigebracht, alle Gefühle auszuschalten und sich um nichts zu kümmern als die Befehle seines Herrn. Wenn Mira nicht wieder zurückkam, dann würde er sich auf das verlassen, was er in der harten Zeit seiner Kindheit gelernt hatte. So würde er auch das durchstehen.
Aber zuerst würde er ihre Entführer töten. Und zwar alle, bis auf den letzten Mann.
In Gedanken bereitete er sich schon auf die Undercover-Mission vor, die begann, sobald die Sonne untergegangen war. Er war so in seinen Planungen versunken, dass er einen Augenblick brauchte, bis ihm klar wurde, dass die Luft im Korridor für einen Moment kälter geworden war. Die Ursache dafür erschien gleich darauf, und zwar in Gestalt von Carys Chase, die aus einem Raum trat, der von dem langen Korridor abging. Der frische Geruch des Morgens folgte ihr und hing in ihren hellbraunen Haaren, der figurbetonten schwarzen Bluse und den eng anliegenden, schmal geschnittenen Jeans, die sie in ihre mit Stacheln verzierten Stiefeletten gesteckt hatte.
»Carys?« Aric blieb mitten im Korridor stehen und starrte seine Zwillingsschwester mit offenem Mund an. »Was zum Teufel hast du denn hier verloren?«
Auch Nathan und sein Team hielten an, und alle starrten auf die gut aussehende junge Stammesvampirin, die gemächlich auf sie zuschlenderte, als wäre es das Normalste der Welt. Ihre feinen Brauen bogen sich leicht über den strahlend blauen Augen, die von langen schwarzen Wimpern umrandet waren. »Nach was sieht’s denn aus, großer Bruder?«
Aric blickte noch düsterer drein. »Es sieht aus, als ob du gerade durch ein Hinterfenster zurück ins Anwesen geklettert bist und du die ganze Nacht draußen warst und wer weiß was getrieben hast.«
Sie lachte. »Mein Gott, Aric, du hörst dich schon an wie Vater. Seit wann ist es ein Verbrechen, wenn man mit seinen Freunden ein bisschen Spaß haben will?«
»Es ist nicht sicher da draußen, Car. Nicht für eine Frau, die allein unterwegs ist, ohne jemanden, der sie beschützt.«
Nathan warf Aric Chase einen befehlenden Blick zu, eine wortlose Warnung, seiner Schwester keine Einzelheiten über das Verschwinden von Mira und dem Wissenschaftler zu erzählen und auch nichts von dem Verdacht des Ordens verlauten zu lassen, dass die Rebellen hinter ihrer Entführung steckten. Aric fing seinen Blick auf und hatte Verstand genug, sich abzuregen.
»Ich hab doch gesagt, ich war nicht allein«, sagte Carys. »Jordana Gates und ich haben uns mit ein paar Freunden im North End getroffen. Es war total sicher.«
Arics Gesichtsmuskeln spannten sich an, aber was immer er darauf sagen wollte, behielt er für sich. »Ich mach mir nur Sorgen um dich, das ist alles. Ich möchte nicht, dass jemand dir wehtut.«
Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Das weiß ich doch. Und, großer Bruder, ich bin zwar ein Mädchen, aber auch eine Stammesvampirin. Ich bin genauso stark wie all ihr Männer. Und nur weil ich kein Kampftraining absolviert habe, heißt das noch lange nicht, dass ich mich nicht wehren könnte.« Als sie den missbilligenden Ausdruck im Gesicht ihres Bruders sah, biss Carys auf ihre Lippe und schaute unter ihren langen schwarzen Wimpern hoch zu ihm. »Du erzählst doch Mutter und Vater nichts davon, oder?«
»Ich sollte ihnen Bescheid geben«, sagte Aric. »Vater würde sicher auch gerne mit Jordanas Eltern reden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der ehrwürdige Gates-Clan von Beacon Hill besonders glücklich ist, wenn sie erfahren, dass ihre Stammesgefährtinnen-Tochter die ganze Nacht durch die Stadt zieht und erst im Morgengrauen nach Hause kommt.«
»Aber du wirst uns nicht verpfeifen«, sagte sie weich und einschmeichelnd, doch Nathan hatte so etwas wie Sorge in den hellblauen Augen von Carys aufblitzen sehen, als Aric ihre Freundin aus dem Dunklen Hafen erwähnte. Sie ging zu ihrem Bruder und strich ihm mit den Händen über die Brust. »Du verpfeifst mich nicht, und dafür erzähle ich Mutter und Vater auch nichts von den drei Tänzerinnen, mit denen du und Rafe euch letztes Wochenende in der Sim-Lounge in Chinatown vergnügt habt.«
»Woher weißt du das?« Aric brachte die Frage kaum
Weitere Kostenlose Bücher