Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
übergroße T-Shirt an, das Kellan für sie aus dem Koffer am Fußendes des Bettes geholt hatte. Ihren BH und die von ihm geliehenen Turnhosen hatte sie über einen zerkratzten Holzstuhl gelegt. Sie wollte gerade aufstehen und sich anziehen, als die verschlossene Tür aufgesperrt wurde.
Plötzlich betrat Kellan das Zimmer, ohne jede Vorwarnung oder Entschuldigung.
Er starrte sie an, wie sie auf dem Bett saß. Einen Augenblick lang hätte sie nicht sagen können, ob sie Überraschung oder Bedauern in seinen haselnussfarbenen Augen sah. Aber da lag auch etwas Dunkles in ihnen, ein grimmiger, sorgenvoller Blick. Er ging in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
»Du siehst aus, als hättest du gut geschlafen.« Seine Stimme war rau wie Sandpapier.
Mira kroch aus dem Bett. Sie war sich sehr bewusst, wie wenig sie anhatte, und sie merkte genau, dass es auch Kellan auffiel. »Und du siehst ziemlich beschissen aus«, sagte sie betont sarkastisch, als sie sich weg von dem zerwühlten Bett bewegte. »Du hast dir hoffentlich kein anderes Bett zum Schlafen suchen müssen, weil dein Privatquartier zu meiner Gefängniszelle umfunktioniert wurde.«
Er machte einige Schritte und knurrte dabei: »Wie kommst du darauf, dass ich geschlafen habe?«
Mira sah ihn an und wünschte sich, es wäre weniger leicht, sich ihn im Bett mit einer anderen Frau vorzustellen. Sie hatte sich eingeredet und innerlich immer wieder versichert, dass es sie nicht kümmern musste, was er machte – oder mit wem. Doch als er jetzt übermüdet und bedrohlich angespannt und ärgerlich vor ihr stand, schoss die Wut durch ihre Adern. »Wo warst du die ganze Nacht, Kellan?«
Er brachte ein bitteres Lachen zustande. »Die Geschäfte der Rebellen organisieren.« Er hielt sie mit einem dunklen Blick in seinem Bann, und sie konnte die Spitzen seiner Fänge blitzen sehen. »Das ist mein Leben, Süße. Hast du das schon vergessen?«
Mira starrte ihn an. Der kaum unterdrückte Zorn in seiner Stimme überraschte sie. Sein Gesicht war wutverzerrt, wodurch die scharf geschnittenen Wangenknochen und das Kinn mit dem Bärtchen noch kantiger schienen. Kellan war sauer. Und zwar verdammt sauer.
Sie sah zu, wie er zu dem Kleiderkoffer auf dem Boden marschierte, als wäre er mitten im Krieg. Mit wilder Kraft riss er sich das zerknitterte schwarze T-Shirt vom Leib und ließ den Deckel des Koffers gegen das Bett krachen. Seine Dermaglyphen glühten farbig. Die kreisenden Halbbögen und Schnörkel der Hautmarkierungen des Stammes bedeckten Brust und Bizeps. Sie wirbelten und pulsierten in stürmischen Schattierungen von Rot und Schwarz und Mitternachtsblau. Mira musste schlucken. »Irgendetwas ist passiert, nicht? Etwas Schlimmes.«
Er atmete scharf aus. »Könnte man sagen.«
Ihre Blicke trafen sich, und seine Pupillen blitzten mit bernsteingelben Funken. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen. Mira spürte seinen Zorn, der ihr entgegenschlug; sie sah es in seinem heißen Blick, als ob er heute ihren Anblick kaum ertragen könnte.
»Willst du mir nicht sagen, was schiefgelaufen ist?«, fragte sie. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen. »Du kannst mit mir reden, Kellan –«
»Mit dir reden?«, fuhr er sie an. »Ich möchte nicht reden. Ich muss nachdenken. Das ist mein Problem. Du hast damit nichts zu tun.«
»Ich habe damit zu tun, ob dir das nun gefällt oder nicht«, erinnerte sie ihn. »Auch wenn es uns beiden nicht gefällt, du hast dafür gesorgt, dass ich mit der Sache zu tun habe.«
Er schlug den Deckel des Koffers derart hart zu, dass der Knall wie ein Kanonenschlag durch das Quartier hallte. In Sekundenschnelle – sogar noch schneller – fuhr er aus der Hocke hoch und stand direkt vor ihr, bevor sie den nächsten Atemzug machen konnte. Weniger als eine Handbreite waren sie voneinander getrennt, so nah, dass sie die Hitze spürte, die aus seinen Poren strömte.
Die Glyphen , die noch vor wenigen Momenten in den wütenden Farbtönen von Kellans Zorn und Enttäuschung pulsiert hatten, nahmen eine dunklere Färbung an. Der Zorn war immer noch da, doch als Kellans gewaltiger Körper sich auf sie zubewegte, änderten sich die Schattierungen zu Verlangen und etwas Dunklerem. Seine Fänge kamen Mira riesig vor, scharf wie Dolche hinter seinen bedrohlich geschürzten Lippen.
»Ich soll dir erzählen, dass ich totale Scheiße gebaut habe mit der Entführung von Jeremy Ackmeyer?« Kellans Augen glühten wie brennende Kohlen, und seine Pupillen
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