Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
tun könnte.
Es waren seine Worte, die keinen Zweifel offenließen.
Er wollte sie nicht.
Das hätte ihr genügen sollen. Er hatte ihr gesagt, dass er sie nicht wollte. Er konnte nicht zulassen, dass er etwas für sie empfand, obwohl ihre Küsse nichts an Leidenschaft verloren hatten in den Jahren, in denen sie getrennt gewesen waren. Bei der leichtesten Berührung loderte ihre Lust aufeinander immer noch voller Begierde auf, sie sehnten sich beide so sehr nach dem anderen, dass dieses Verlangen sogar Kellans eisernen Willen überwand.
Es hätte ihr genügen sollen. Es hätte sie erleichtern sollen – es war ihre Chance, Kellan endlich gefühlsmäßig dort einzuordnen, wo er hingehörte: zu ihren Feinden. Es hätte ihr die nötige Klarheit verschaffen sollen, über ihre Pflichten als Kriegerin und ihre Mission, wie sie Jeremy Ackmeyer in Sicherheit bringen konnte. Ihr unerfüllbarer Wunsch, Kellan irgendwie wieder zurück in den Orden zu holen, gehörte ganz sicher nicht zu ihren Pflichten.
Reines Wunschdenken.
Und doch weigerte sich ein Teil von ihr, ihn gehen zu lassen, selbst jetzt noch.
Gerade jetzt noch.
Es machte sie so wütend, dass er sie einfach stehen lassen konnte und offenbar annahm, sie würde das akzeptieren. Er stieß sie immer noch von sich, genau wie er es als mürrischer, gebrochener dreizehnjähriger Junge getan hatte, als er voller Schmerz und Kummer über den Tod seiner Eltern und Verwandten ins Hauptquartier des Ordens kam. Sie hatte es sich schon damals mit acht Jahren nicht gefallen lassen, und sie würde auch heute den Teufel tun und es einfach so hinnehmen.
Mira starrte wütend auf die Tür, die hinter ihm zugeschlagen war, als er aus dem Zimmer gestürmt war.
Er hatte es eilig gehabt von ihr wegzukommen – so eilig, dass sie das Sicherungsschloss nicht hatte einrasten hören. Sie ging zur Tür und drückte die Klinke. Es war offen.
Oh Gott …
Nacheinander schossen Mira eine ganze Anzahl von Möglichkeiten durch den Kopf. Nummer eins, sie könnte das tun, was Kellan wohl erwartete, nämlich in seinem Quartier zu bleiben und hier vor Wut fast zu platzen, bis er entschieden hatte, was er als Nächstes mit ihr tun wollte. Die Chancen, dass das passieren würde, gingen allerdings gegen null.
Nummer zwei, sie könnte seine Abweisung als Geschenk für die Ziele ihrer Mission auffassen und versuchen, jetzt sofort mit Jeremy Ackmeyer zu fliehen. Es war riskant, denn sie und ihr menschliches Gepäckstück würden an Kellan und seinem gesamten, gut bewaffneten Team vorbeimüssen.
Oder, Nummer drei, sie könnte jetzt gleich hinter Kellan her und die Konfrontation mit ihm suchen. Er sollte ihr jetzt entweder ein für alle Mal ins Gesicht sagen, dass er nichts mehr für sie empfand, oder, falls er sie doch noch liebte, sollte er ihr erklären, warum er nicht mit Lucan sprechen wollte, damit sie beide an dem Punkt anknüpfen konnten, wo sie vor Jahren schon einmal gewesen waren.
Eine leichte Wahl. Sie entschied sich für Nummer drei.
Jahrelang hatte Mira Kellan immer wieder hinter den Mauern hervorgeholt, die er um sich herum aufgebaut hatte. Auf keinen Fall würde sie ihn jetzt aufgeben.
Rasch schlüpfte sie in die Turnhosen, ließ das riesige T-Shirt, in dem sie geschlafen hatte, darüberhängen und glitt dann hinaus aus dem Quartier auf den Korridor.
Im Bunker war es sehr still, an diesem Ende der Festung war kaum etwas von den frühmorgendlichen Beschäftigungen der Rebellen zu hören. Mira erinnerte sich dunkel daran, wo sich der Hauptwohnbereich des Lagers befand. Dort würde sie wahrscheinlich Kellan finden. Sie ging in diese Richtung los. Im schlimmsten Fall lief sie einem Mitglied seines Teams in die Arme, das dann zweifellos sofort ihren Anführer alarmieren würde.
Aber es war so still. Mira war sich nicht sicher, ob überhaupt noch jemand hier war.
Dann hörte sie es … ein leises Geräusch irgendwo vor ihr, das aus einem der Räume drang, die am Korridor lagen. Aus dem Duschraum, in den Candice sie gestern Abend zum Duschen gebracht hatte.
Das Geräusch aus dem Duschraum klang jetzt gedämpft, irgendwie feucht.
Vertraut.
Miras Magen zog sich zusammen, doch ihre Beine liefen wie von selbst weiter den Gang entlang.
Leises Stimmengemurmel war zu hören – eine Frau sagte etwas, dann ein Mann. Miras Herz schlug dumpf und schwer, als würde ein Bleiklumpen in ihrem Brustkorb stecken. Sie kannte diese tiefe, leise grollende Stimme. Sie kannte den Tonfall der ruhigen
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