Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
Worte. Vertrauliche Worte. Liebevolle Worte.
Oh Gott.
Eine Angst erfasste sie, wie sie sie noch nie verspürt hatte – nicht seit der Nacht, als sie mit ansehen musste, wie die Lagerhalle in Flammen aufging und Kellan nicht herauskam –, und sie schlich weiter mit qualvollen, langsamen Schritten, bis sie schließlich vor der offenen Tür stand.
Candice war dort und saß auf einer Bank vor den Duschen. Ihr langes schwarzes Haar fiel feucht und glänzend auf ihr dünnes weißes T-Shirt, sie hatte den Kopf gegen die Wand gelehnt. Die Augen hatte sie geschlossen, und eine Art andächtiger Verzückung lag über ihrem Gesicht.
Und Kellan trank von ihrem Handgelenk. Er kauerte neben ihr und hatte den dunklen Kopf über den Arm der Menschenfrau gebeugt. Seine scharfen weißen Fänge bohrten sich in das Flammentattoo, das sich hoch bis zu Candices Ellenbogen zog. Mit ihrer freien Hand streichelte sie sanft seinen nackten Rücken. Die Geste war vertraut und fast beiläufig. Der Anblick traf Mira bis ins Mark.
Nein, verbesserte sie sich in Gedanken, während sie noch um Atem rang.
Dieser Anblick traf sie direkt in ihrem gebrochenen Herzen.
In diesem einen entsetzlichen Moment hatte sie allen Kampfeswillen verloren. Leise zog sich Mira zurück. Sie war unendlich dankbar, dass die beiden sie nicht bemerkt hatten.
Vielleicht wollte Kellan sich aus diesem Grund nicht von ihr helfen lassen. Vielleicht wollte er deshalb nicht zurück in den Orden. Vielleicht wollte er deshalb bei den Rebellen bleiben, die ihm vor acht Jahren das Leben gerettet hatten.
Vielleicht war das der Grund, warum es ihm anscheinend so leichtfiel, Mira und allem, was zwischen ihnen gewesen war, den Rücken zu kehren. Weil er eine andere gefunden hatte. Die hübsche, mitfühlende Candice.
Mit einem Mal klang ihr Fluchtplan mit Jeremy Ackmeyer wie die weitaus bessere Wahl. Ihr Brustkorb tat ihr so weh, als ob er jeden Moment aufbrechen könnte. Irgendwie musste sie aus diesem Bunker herauskommen. Sie musste so weit wie möglich weg von diesem Ort, bevor der Schmerz sie überwältigte und sie auf der Stelle zusammenbrach.
Sie fuhr herum – und stand direkt vor Vince.
»Na, na, wen haben wir denn hier?« Er verzog den Mund, als er sie von Kopf bis Fuß musterte. »Weiß der Boss schon, dass eines seiner Hühner aus dem Stall ausgebrochen ist?«
Mira zuckte zusammen. Der Rebell hatte absichtlich einen lauten, warnenden Ton angeschlagen. Im Duschraum rührte sich etwas, hektische Bewegungen waren zu hören, der Tritt von Kampfstiefeln und nackten Füßen auf dem Betonboden.
»Geh mir aus dem Weg.« Mira stieß Vince mit aller Kraft nach hinten. Der Mensch stolperte rückwärts, offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie so stark war.
Sie rannte an ihm vorbei den Korridor hoch.
Kellan war hinter ihr her. Mira konnte ihn hinter sich spüren. Obwohl sie es besser wusste, wandte sie sich dennoch rasch nach ihm um. Er wischte sich gerade Candices Blut von den Lippen. Seine bernsteingelben Augen glühten wie Feuerkreise, die die messerscharfen Pupillenschlitze im Zentrum zu verschlingen drohten. Seine Fänge waren enorm, und seine Dermaglyphen pulsierten immer noch in vollen, lebendigen Farben, obwohl er gerade erst getrunken hatte.
Sein Anblick – satt und high vom Blut einer anderen Frau – brachte sie fast um den Verstand.
Mira wandte sich wieder nach vorn und sprintete los. Wohin der Korridor führte, wusste sie nicht. Sie wollte nur weg von Kellan und dem, was sie gerade gesehen hatte.
»Alle stehen bleiben«, brüllte er. Seine Stimme klang heiser und wie aus einer anderen Welt. »Mira!«
Sie ignorierte ihn und rannte weiter den Korridor entlang. Wenn sie ihm doch nur entkommen könnte.
Aus dem Nichts spürte sie einen kühlen Luftstoß an ihr vorbeiwehen. Dann stand Kellan vor ihr und versperrte ihr den Weg. »Mira, hör auf damit.«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Stimme erstarb, als sie ihm antworten wollte, aus ihrer Kehle kam nur ein heiseres Schluchzen. Sie verschluckte sich fast daran, gleichzeitig versuchte sie, Kellan auszutricksen und so an ihm vorbeizukommen. Er packte sie an den Schultern.
»Lass mich los«, schrie sie heiser. »Ich möchte weg. Ich muss jetzt sofort hier raus!«
»Das kann ich nicht zulassen.« Gefasste, ruhige Worte, die keinen Widerspruch duldeten.
Es war ihr egal. »Versuch nur, mich aufzuhalten«, fauchte sie ihn an und schaffte es, sich von ihm loszureißen.
Sie fuhr herum und wollte sich in die
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