Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
einen viel älteren Gobelin ersetzen lassen. Dieser, so Gabrielle, stellte einen Helden dar, den sie viel lieber jeden Tag zu Gesicht bekam.
Der mittelalterliche Gobelin hatte früher in Lucans Räumen im Hauptquartier des Ordens in Boston gehangen. Als er nun davor auf und ab schritt, konnte er förmlich spüren, wie sein handgewebtes Ebenbild ihn von den wollenen Fäden des Teppichs herunter missbilligend anstarrte. Gabrielle, Gideon mit seiner Gefährtin Savannah, Brock, Jenna und all die anderen saßen schon seit Minuten schweigend im Salon, während er mit seinen Stiefeln bald eine Spur in den kostbaren Perserteppich gelaufen hatte.
Rio und seine Gefährtin Dylan waren vor knapp einer Stunde aus dem Ordensstützpunkt in Chicago gekommen. Der spanische Krieger mit dem vernarbten Gesicht, der sonst immer ein lässiges Gebaren an den Tag legte, saß vornübergebeugt auf seinem Sessel. Mit den Ellbogen stützte er sich auf die Knie, seine topasblauen Augen funkelten.
Auch Tegan und Elise waren erst vor Kurzem aus New York gekommen, wo Tegan den Stützpunkt kommandierte. Der Gen Eins mit der goldgelben Mähne war eines der Gründungsmitglieder des Ordens – doch erst seit den letzten zwanzig Jahren gehörte er zu Lucans engstem Freundeskreis. Tegan und Elise hatten ihre eigenen Probleme, vor allem wegen ihres einundzwanzigjährigen Sohnes, Micah. Er hatte gerade erst seine Ausbildung zum Krieger beendet und war mit seinem Team sofort in einer Geheimoperation eingesetzt worden, die ihn bis nach Budapest verschlagen hatte.
Elise war offensichtlich in großer Sorge, weil sie ihr einzig überlebendes Kind gerne in ihrer Nähe wissen wollte. Aber Micah kam ganz nach seinem Vater, und Lucan wusste genauso gut wie jeder andere hier, dass sie, wenn sie zu sehr klammerten, nur riskierten, dass es zu einem endgültigen Bruch kam. Lucan sah das jeden Tag an seinem eigenen Sohn. Sogar jetzt, trotz der viel drängenderen Probleme, mit denen er sich am heutigen Abend herumschlagen musste, lastete diese Sorge auf ihm.
Unter den Mitgliedern, die noch im Hauptquartier erwartet wurden, waren Hunter und Corinne, die in ein paar Stunden aus New Orleans kommen würden. Dante und Tess, die jetzt den Stützpunkt des Ordens in Seattle leiteten, würden morgen Nacht zu ihnen stoßen. Auch Kade und Alex, die die Kommandozentrale am Lake Tahoe befehligten, wollten erst morgen Nacht eintreffen. Angesichts der Ereignisse in Boston blieben Chase und Tavia noch bis zum Ende der Festveranstaltung des Gipfeltreffens dort, dann würden auch sie in die Villa kommen.
Auf der anderen Seite des eleganten Raumes stieß Nikolai einen leisen Fluch aus. Es klang mehr wie ein bösartiges Zischen, als er sich von seiner schwangeren Gefährtin löste, den blonden Kopf herumriss und Lucan mit eisigblauen Augen ins Visier nahm. »Gibt es irgendwelche neuen Informationen über diese Rebellenschweine und wo sie sich versteckt halten?«
»Nathans Anruf heute Abend ist der letzte Stand der Dinge«, erwiderte Lucan ernst. »Bis jetzt hat er leider noch keinen anderen Hinweis, als dass einer der Rebellen aus seiner Gruppe ausgeschert ist und Ackmeyer mitgenommen hat, um Lösegeld zu erpressen. Wir alle wissen, wie das geendet hat.«
Niko knurrte. »Und wir wissen nichts von Mira. Weder ihren Aufenthaltsort noch was sie mit ihr vorhaben. Nicht einmal, ob sie vielleicht schon …«
Der in Sibirien geborene, kampferprobte Krieger konnte das Ende des Satzes nicht über die Lippen bringen, und das allein zeigte Lucan, wie tief besorgt Niko um Mira war. Bei Renata war es genauso. Die sonst so knallharte Frau, die sie in den letzten zwanzig Jahren als hocheffektives Mitglied der Kampfeinsätze des Ordens schätzen gelernt hatten, war gegen ihren Gefährten gesunken. Das pechschwarze Haar fiel ihr in die Stirn, doch die Sorgenfalten in ihrem Gesicht überdeckten die Strähnen nicht. Ihre Hände, die Hände einer skrupellosen Killerin, lagen zitternd auf ihrem Bauch, in dem ihr ungeborenes Kind heranwuchs.
»Wir wissen noch nicht mehr, aber das wird sich bald ändern«, sagte Lucan zu den beiden. »Wir werden sie sicher und gesund zurückholen, das verspreche ich euch.«
Er dachte an den Befehl, den er Nathan gegeben hatte: Mira und den Menschen zu finden und ihre Entführer so unauffällig und leise wie möglich aus dem Weg zu räumen. Nathans Fähigkeiten standen außer Frage, und er war zweifellos der Richtige für den Auftrag gewesen, doch die Explosion in dem
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