Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
Kämpfe, die später im Keller des Clubs stattfinden würden. Die Bilder des Monitors tauchten Cassians kantiges Gesicht in ein dramatisches Spiel von Licht und Schatten. »Ja«, sagte er langsam, fast mit einem Zischen. »Ist schon ein paar Jahre her, aber ich hab dich definitiv schon mal gesehen.«
Kellan ließ Miras Hand los und ballte unwillkürlich die Fäuste. »Und ich sagte, du irrst dich.«
»Gehen wir.« Mira nahm mit beiden Händen seinen Arm, als wollte sie ihn notfalls von der Konfrontation mit dem Eigentümer des LaNotte wegzerren.
Cassian kicherte. »Sie mag dich. Will dich beschützen. Ist ja interessant. Hatte schon gedacht, sie wäre andersrum … übrigens auch eine interessante Vorstellung.«
Der Mann war so unklug, einen Schritt auf Mira zuzugehen, und Kellans Hand schoss vor wie eine Viper und blockierte ihm den Weg. Die Brust, die sich gegen seine Handfläche drückte, war steinhart, völlig unnachgiebig. Und während Cassians Augen wie aus Eis wirkten, war sein Körper unter der Ledermontur heiß wie glühende Kohlen und strahlte eine Energie aus, die Kellan kaum mit ihm in Einklang bringen konnte.
Als er den Mann festhielt, ihn körperlich daran hinderte, zu nah an Mira heranzukommen, erwachte Kellans übersinnliche Gabe in ihm. Sie griff durch seine Hand nach Cassian, suchte in ihm nach seinen wahren Absichten.
Und fand nichts.
Der Mann war völlig undurchschaubar.
Wie zum Teufel war das möglich?
Cassian hielt seinen Blick eine Sekunde länger, als Kellan lieb war, dann trat er einfach zur Seite und stapfte auf die Bar zu, wo eine Gruppe angetrunkener, hübscher junger Frauen Mühe hatten, sich auf ihren High Heels aufrecht zu halten.
Kellan versuchte immer noch zu verarbeiten, was er gerade erfahren hatte, und war überrascht, dass Mira gar nichts zu Cassians plötzlichem Desinteresse an ihnen gesagt hatte.
Aber Mira sah den Mann nicht mehr an.
Sie starrte gebannt auf den Faceboard-Monitor am anderen Ende des Raumes. Kellan folgte ihrem Blick, und schlagartig wich alles Blut aus seinem Kopf.
Der Monitor zeigte nicht mehr den Boxkampf. Jetzt brachte er eine Eilmeldung des JUSTIS -Ministeriums, kaum zu hören über den Lärm der Menge und der Band, die immer noch auf der Bühne zugange war. Aber der Nachrichtenticker am unteren Rand des riesigen Bildschirms sagte Kellan alles, was er wissen musste.
+++ Laborexplosion im Westen von Massachusetts heute +++ bekannter Wissenschaftler Jeremy Ackmeyer umgekommen +++ zweite Leiche am Fundort identifiziert als ehemaliger Häftling Vincent DeSalvo mit bekannten Verbindungen zu Milizen und Rebellenorganisationen im Großraum Boston +++
Der Rat der Globalen Nationen fordert umfangreiche Ermittlungen und spricht von Verschwörung und vorsätzlichem Mord …
»Kellan«, murmelte Mira, ihr Körper war erstarrt, wie festgefroren, sogar noch, als er ihre Hand nahm. »Oh Gott, Kellan … Jeremy Ackmeyer ist tot.«
17
Vor wenigen Stunden war die Nachricht vom Tod Jeremy Ackmeyers durch die Hand von Rebellen um die Welt gegangen. Die düstere Stimmung im Hauptquartier des Ordens in Washington hatte sich seither nicht gerade verbessert. Lucan Thorne, als Anführer des Ordens und als faktisches Oberhaupt des gesamten Stammes, war in noch trübere Gedanken versunken als die übrigen Versammelten.
Es war nach Mitternacht, und inzwischen waren die meisten Stammesältesten, die in den USA lebten, mit ihren Gefährtinnen anwesend. Sie versammelten sich im Salon der Villa, die nur ein paar Kilometer vom GN -Hauptquartier am National Mall entfernt lag. Es war ein seltsamer Anblick: ein halbes Dutzend jahrhundertealte, tödliche Stammeskrieger, die eher an Kampfanzüge und modernste Waffentechnik gewöhnt waren, saßen auf vornehmen, samtbezogenen Sofas und zierlichen neoklassizistischen Sesseln.
Die überbordenden Jugendstilmöbel entsprachen nicht unbedingt Lucans Geschmack, doch sie machten seine Gefährtin glücklich, und so hatte er ihr bei der Einrichtung freie Hand gegeben. Gabrielle hatte darauf bestanden, dass die Architektur der Villa authentisch erhalten wurde. Dazu gehörten auch ein kleines Vermögen an Kunstwerken aus dem 18. Jahrhundert und asiatisches Porzellan, das der ursprüngliche Besitzer, ein ehemaliger Botschafter der Vereinigten Staaten, Anfang des 20. Jahrhunderts geschenkt bekommen hatte.
Einen großen englischen Wandteppich aus dem 17. Jahrhundert – eine Darstellung Alexander des Großen – hatte sie allerdings durch
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