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Vertraute Gefahr

Vertraute Gefahr

Titel: Vertraute Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Raven
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Robert zu verlassen, denn ohne die Misshandlung hätte ich mich wahrscheinlich nicht dazu entschließen können, so sehr hatte er mir eingetrichtert, dass ich alleine gar nicht zurechtkommen würde. Ich zog also aus seinem Haus aus und mietete eine kleine Wohnung in der Nähe des Campus. Meinen Kater Tombo nahm ich natürlich mit. Robert hatte ihn sowieso nie gemocht.« Der Gedanke an Tombo trieb ihr die Tränen in die Augen. Mit belegter Stimme fuhr sie fort: »Es war schwierig, weiter mit ihm zusammenarbeiten zu müssen, vor allem, weil er ständig versuchte, mich umzustimmen. Ich verzieh ihm den Schlag, wollte aber keine neue Beziehung mit ihm eingehen. Er bedrängte mich immer mehr, so lange, bis ich mich gezwungen sah, zu unserem Vorgesetzten zu gehen. Danach hielt Robert sich von mir fern, aber ich konnte seine hasserfüllten Blicke spüren.« Sie schauderte, als sie sich daran erinnerte. Warum hatte sie die Gefahr, die von ihm ausging, nicht bemerkt? Wie hatte sie so dumm sein können, sich noch einmal mit ihm einzulassen?
    »Einmal lag auf meinem Schreibtisch ein Zettel, auf dem stand: ›Das wirst du noch bereuen!‹. Ich wusste, dass er von Robert stammte, aber ich konnte es nicht beweisen, daher habe ich niemandem davon erzählt. Kurze Zeit später erhielt ich die Nachricht aus Florida, dass meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Sie wollten nach einem Restaurantbesuch nach Hause fahren, als sie von einem anderen Auto gerammt wurden und bei einer Brücke zwanzig Meter tief in einen Fluss stürzten. Der Fahrer des anderen Wagens wurde nie ermittelt.« Diesmal liefen die Tränen über. »Es gab einen Zeugen des Unfalls, aber er war zu weit weg, um mehr von dem Unfallverursacher zu erkennen, als dass es sich um ein dunkles Auto handelte. Er hat sofort über sein Autotelefon Hilfe angefordert, aber es war schon zu spät. Mein Vater war durch den Aufprall ums Leben gekommen, meine Mutter ertrunken.«
    Noch immer rannen Autumn Tränen über die Wangen. Sie schien sie gar nicht wahrzunehmen. Shane zog sich das Herz zusammen, als er sie so sah. Wie gerne hätte er sie in den Arm genommen und getröstet. Wenn sie ihm nicht vorher klargemacht hätte, dass sie ein wenig Abstand brauchte, hätte er genau das getan. So beschränkte er sich auf ein hilfloses »Das tut mir leid«.
    Autumn sah ihn an, als würde ihr seine Gegenwart erst jetzt wieder bewusst werden. Ein geisterhaftes Lächeln hob ihre Mundwinkel ein winziges Stück. »Danke.«
    Shane konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, seine Eltern zu verlieren, und dann auch noch so plötzlich. Ihm blieben dann jedoch immer noch seine Geschwister, aber Autumn hatte niemanden mehr. Ab sofort würde sie nie wieder allein sein müssen, das schwor er sich. Sie würde zu seiner Familie gehören, ihr Leben mit ihm teilen. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, ihr das klarzumachen. Sie hatte sich inzwischen wieder gefasst, ihre Tränen waren versiegt.
    Autumn räusperte sich. »Mein schlimmster Fehler war, dass ich mich danach von Robert trösten ließ und wir wieder zusammenkamen. Ich fühlte mich derart alleine ohne meine Eltern, dass ich eine Person brauchte, an die ich mich anlehnen konnte. Und außer Robert war niemand da. Während unserer Beziehung war es ihm gelungen, mich immer mehr zu isolieren. Ich hatte nie viele enge Freunde, aber er schaffte es, dass ich mich immer seltener mit ihnen traf und außerhalb der Bibliothek auch kaum Kontakt zu den Arbeitskollegen hatte. In der ersten Zeit nach dem Tod meiner Eltern war ich deshalb froh, wenigstens Robert um mich zu haben. Er war plötzlich wieder nett und aufmerksam, und mehr brauchte ich zu der Zeit auch nicht. Nach einer Weile jedoch entstanden die gleichen Probleme wie zuvor. Robert war extrem eifersüchtig und wollte von mir eine Rechtfertigung über jede Minute meiner Zeit. Er wollte mir vorschreiben, wie ich mein Leben zu führen hatte und wen ich treffen durfte. Immer wenn ich mich nicht an seine Vorgaben hielt, wurde er furchtbar wütend und warf mir vor, ihn zu betrügen. Zuerst versuchte ich ihn zu beruhigen und möglichst das zu tun, was er wollte, um ihn nicht zu verlieren. Mit der Zeit wurde es aber immer unheimlicher, er begann, mir heimlich zu folgen und jeden meiner Schritte zu überprüfen. Ich kam mir vor, als müsste ich ersticken, er ließ mir keinerlei Luft zum Atmen und ich fühlte mich verfolgt. Roberts Besessenheit nahm immer angsteinflößendere Züge an.

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