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Vertraute Schatten

Vertraute Schatten

Titel: Vertraute Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Leigh Castle
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Rolle spielte – zumindest hatte man ihr das gesagt.
    Der Kelch pulsierte angesichts der Kraft, die sich in ihm angesammelt hatte, der geballten Kraft der stärksten Vampire. Mormo hielt Ariane den Kelch hin, und Ariane war fest überzeugt, dass Mormo sie trotz ihrer seltsamen blinden Augen genau sehen konnte. Ariane brauchte einen Moment, bis sie ihren Dolch endlich aus der Scheide genestelt hatte, doch dann hielt sie rasch das Handgelenk über den Kelch und ritzte einen schmalen, nicht allzu tiefen Schnitt in die Haut. Ihr Blut, so dunkel, dass es fast schon schwarz war, tropfte langsam heraus und vermischte sich mit dem purpurroten der anderen.
    Sie spürte die interessierten Blicke aller auf sich ruhen und trat schnell ein paar Schritte zurück, sobald sie ihren Teil geleistet hatte. Ihr war klar, dass ihr schwarzes Blut, das so anders war als das der übrigen Vampire, nicht unbemerkt geblieben war. Dennoch gelang es ihr, einen gleichgültigen Gesichtsausdruck aufzusetzen und sich wieder auf ihrer Bank niederzulassen, als sei nichts geschehen.
    »Grigori«, sagte Mormo und zog das Wort dabei in die Länge. Es schien den ganzen Raum auszufüllen und von den Wänden widerzuhallen.
    Dann fing sie an zu singen.
    Rund um die Empusae bildete sich ein Dunstschleier, eine wirbelnde Wolke, die zunächst schneeweiß war, sich dann aber staubgrau verfärbte. Mormo sang weiter, doch ihr Gesang wurde immer mehr von anderen Geräuschen übertönt. Schreie. Hufe, die auf harten Boden aufschlugen. Flügelschlagen.
    Ariane verlor plötzlich die Orientierung. Sie blinzelte. Die Welt um sie herum wurde schwarz, und dann tauchten auf einmal Bilder in ihrem Kopf auf, erst einzelne Fragmente, dann immer mehr zusammenhängende Bildfolgen.
    Wundervolle Wesen fielen von einem kriegszerrissenen Himmel herab, eins mit Flügeln aus Ebenholz, andere mit Flügeln in der Farbe des Morgengrauens.
Sammaels Flügel
, dachte Ariane. Einige dieser Wesen lösten sich auf, sobald sie auf der Erde auftrafen, und schrien ihren Schmerz zu einem gleichgültigen Mond hinauf. Andere verkrochen sich in Höhlen, flohen vor der sengenden Sonne in den Untergrund. Wieder andere blieben an der Erdoberfläche und bauten eine Burg in den Sand, verbargen sich vor der Helligkeit und suchten sich im Licht des Monds ihre Nahrung. Ariane sah das weiße Haar, die funkelnden violetten Augen, und alle waren sie ihr vertraut. Auch Sam war unter ihnen, war einer von neun, deren Gesichter Ariane alle kannte, selbst das von Lucan – nur eins kannte sie nicht.
    Eine Zeit lang waren die Männer, die Ariane als die Ältesten kannte, vor allem damit beschäftigt, ihre Brüder mit den schwarzen Flügeln zu jagen, jene, die noch ärger verflucht waren als sie selbst. Die Burg im Sand wuchs, und mit der Zeit wurden die meisten der dunkel geflügelten Wesen getötet oder verschwanden. Alle bis auf die stärksten – aber jene, die sie spüren konnten, richteten ihre gesamte Energie auf diese Quälgeister der Menschheit. Die Grigori ließen sie nicht aus den Augen. Einer nach dem anderen wurden die Wesen, die sich der Dunkelheit ergeben hatten, zerstört. Doch während die Grigori Bücher wälzten, den Himmel beobachteten und eine lockere Verbindung zu dem Ort hielten, von dem sie herabgefallen waren, färbten sich die Flügel eines der ihren pechschwarz.
    Die Bilder glitten jetzt schneller an Arianes geistigem Auge vorbei. Ein Dorf voller zerfetzter menschlicher Leichen. Und ein weiteres. Und noch eins. Ein schönes männliches Gesicht mit Augen voller Hass und Irrsinn, den Mund zum Schrei aufgerissen, Schreie aus Schmerz und Wut. Eine Grube so tief, dass sie bis zum Mittelpunkt der Erde zu reichen schien, und auf dem Grund der Grube, angekettet an eine Wand, schwach und doch immer noch gefährlich, war das schöne Wesen, das sich in etwas anderes verwandelt hatte, etwas Verwirrtes und Gewalttätiges.
    Ein Dämon, dachte Ariane. Ein gefallener, verrückt gewordener Engel. Und wenn er die Zähne in die Gaben schlug, die seine Brüder ihm brachten, verleibte er sich nicht nur das Blut ein – sondern auch die Seelen.
    Einen flüchtigen Augenblick sah Ariane Sariel vor dem Dämon stehen, die Arme ausgestreckt, als wolle er ihn umarmen, dann spürte sie, wie sie in tiefschwarze Dunkelheit hinabgezogen wurde, so kalt, dass sie glaubte, nie wieder warm zu werden. Aus weiter Ferne hörte sie, wie Damien nach ihr rief.
    Sei vorsichtig … Ich bin unterwegs.
    Sie riss die Augen auf und

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