Vertraute Schatten
glaube Ihnen nicht«, sagte sie. »Sie haben bereits gedroht, mich zu verraten. Man hat mich verfolgt. Jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren. Haben Sie eine Vorstellung, welche Risiken ich eingegangen bin, um hierherzukommen? Was ich aufgegeben habe? Was mir nun blüht? Oder schlimmer noch: Was Sam blüht?«
Wieder schlug sie zu. Gerade noch rechtzeitig rettete Damien sich mit einem Sprung auf den nächsten Stuhl. Ihm dämmerte langsam, dass sein erster Eindruck von ihr als harmloses, unerfahrenes Unschuldslamm ein wenig getrogen hatte. Ariane sah tatsächlich aus wie eine Rachegöttin. Ihre goldenen Locken wirbelten um ihre Schultern und wirkten im Licht, als würden sie glühen. Ihr Mund stand offen, die Lippen hatte sie hochgezogen, was den Blick auf ihre funkelnden Fangzähne freigab.
Sie riss das Schwert hoch und schwang es über dem Kopf, bereit, den entscheidenden Schlag zu führen. Damien erstarrte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Ihr Anblick verdammte ihn zur Reglosigkeit. In diesem Moment wusste er nicht mehr, ob er sie wahnsinnig anziehend fand oder irrsinnig fürchtete.
Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, kam das keine Sekunde zu früh. Ein Sprung auf den Schreibtisch in der Ecke rettete ihn ein weiteres Mal. Hinter dem Möbelstück lag Manons Kopf und starrte gelassen aus toten Augen zu ihm hoch. Damien schaute ihn nur kurz an, dann konzentrierte er sich wieder auf Ariane, die auf ihn zukam und das Krummschwert einmal, zweimal graziös, tänzerisch, tödlich durch die Luft kreisen ließ.
Damien, dem nun kein Ausweg mehr blieb, streckte abwehrend die Hände aus. »Verflucht noch mal, beruhigen Sie sich doch und hören Sie mich an, bevor Sie mich köpfen. Manon war schon tot, als ich hier eingetroffen bin. Deshalb hockt der Typ da drüben in einer Pfütze Vampirkotze und pisst sich voll.«
Er hörte ein leises Heulen und sah, wie der Grünschnabel über den Boden kroch, sich in einer Ecke zusammenkauerte und mit den Armen den Kopf zu schützen versuchte.
Ariane schaute gar nicht erst hinüber. Die Wucht ihrer Wut überraschte ihn, noch mehr aber der Schmerz und die Hoffnungslosigkeit in ihren Augen. Dieses kurze Aufblitzen ihrer Gefühle ging ihm durch Mark und Bein und weckte in ihm wiederum Gefühle, die er längst begraben glaubte und die es besser auch geblieben wären.
Damien fragte sich, was man ihr wohl angetan hatte, dass sie sich so sehr von ihren Artgenossen unterschied.
Dann spürte er die Schwertspitze an der Kehle. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Nur ein Gedanke war noch übrig:
Ach du Scheiße!
Damien musste schlucken, und durch die Bewegung seines Adamsapfels ritzte das Schwert seine Haut auf. Ein Rinnsal Blut bahnte sich den Weg den Hals hinab. Sie hatte ihn erwischt, dabei hatte er sich nie erwischen lassen. Jedenfalls nicht so. Die Frau war fast so schnell wie ein Ptolemy und viel geschickter, als er ihr zugetraut hatte. Ihre überwältigende Schönheit trog. Es sah so aus, als solle diese Fehleinschätzung der Lage das Letzte gewesen sein, was er in seinem Leben tun würde.
Und doch … zögerte sie.
Die Spannung ertrug Damien nicht lange. Vor allem weil er, langsam aber unaufhörlich, auf eines seiner Lieblingshemden blutete.
»Wenn Sie mich töten wollen, dann machen Sie endlich. Dass ich zu betteln anfange, darauf können Sie lange warten. So viel bin ich mir nicht wert.«
Damien wurde erst klar, was er da gesagt hatte, als er die Verblüffung in Arianes Gesicht sah. Er biss die Zähne zusammen. Seine Wut richtete sich nun voll und ganz gegen sich selbst. Er klang wie typische Gossenblute ohne jede Selbstachtung. Aber das war er nicht. Ihm lag nur nicht viel daran, am Leben zu bleiben. Seinem Verständnis nach waren das zwei verschiedene Dinge.
Andererseits legte er natürlich auch keinen großen Wert auf Schmerzen. Wenn ihn die Frau also erledigen wollte, sollte sie es endlich hinter sich bringen, statt ihn mit diesem merkwürdig … verständnisvollen Ausdruck weiter anzustarren.
»Ich glaube Ihnen nicht«, wiederholte sie, wenn auch nicht mehr ganz so unversöhnlich. Damien fragte sich, was genau sie ihm nicht glaubte: dass er Manon nicht umgebracht hatte oder dass er die Zeit nicht wert war, die sie mit ihm vergeudete?
»Soweit mir bekannt ist, ist das immer noch ein freies Land«, entgegnete Damien bemüht gleichgültig und zuckte mit den Schultern. Ariane brachte ihn aus dem inneren Gleichgewicht. Machte ihn unsicher. Er brauchte eine solide
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