Vertraute Schatten
abgeschnitten hatte. »Ich weiß, dass es keine Rolle spielt, aber ich bin nicht als Beobachterin hier. Ich suche einen Freund. Glaub, was du willst.«
Sie fühlte sich ausgepumpt und entsetzlich müde, als sie jetzt auf die Tür zuschritt. Auf diese Probleme würde sie immer wieder stoßen. Vielleicht wäre es einfacher, sich unter Menschen zu verstecken, auch wenn das viele neue Probleme aufwerfen würde …
Als sie an Elena vorbeiwollte, packte diese sie am Arm.
»Warte«, sagte Elena, als Ariane den Kopf herumwarf und sie wütend anstarrte.
Es kostete sie einige Mühe, die Wut, die in ihr aufgestiegen war, als Elena sie gepackt hatte und festhielt, niederzukämpfen.
Wenn sie es auf einen Kampf anlegt, ist sie ein Dummkopf …
Aber Elena atmete lediglich tief durch, und ihr harter Gesichtsausdruck wurde freundlicher. »Was soll’s! Ich hatte die Anweisung, dich heute Abend rauszuwerfen, aber du machst es einem nicht gerade leicht.« Sie verdrehte ihre dunklen Augen kurz himmelwärts und seufzte erneut. »Gut. Du brauchst einen Unterschlupf. Ich habe einen. Komm mit.«
Ariane war einen Moment sprachlos. Hatte sie richtig gehört? »Du … bietest mir eine Bleibe an? Irgendwo anders?«
Ein Hauch Verärgerung schlich sich in Elenas Stimme. »Ja, irgendwo anders. Ich mag wegen meiner Arbeit ja primitiv hausen, aber ein paar Dinge habe ich von Strickland gelernt. Ich habe mehrere Eisen im Feuer, und eins davon sind Mietwohnungen.
Hübsche
Mietwohnungen in Gegenden, wo man vor Vampiren sicher ist. Einer meiner Mieter ist kürzlich nach Borneo ausgewandert, deshalb steht eine Wohnung leer.«
Rasch ging Ariane im Geist die mageren Verhandlungsmöglichkeiten durch, die ihr noch geblieben waren. Die Bilanz fiel ernüchternd aus.
»Ich fürchte, ich kann dir nicht viel zahlen«, fing sie an, aber Elena schnitt ihr sofort das Wort ab.
»Nein. Das ist umsonst. Dich auf die Straße zu setzen fühlt sich an, als würde ich einem Hündchen einen Tritt verpassen. So etwas will ich gar nicht erst einreißen lassen. Außerdem kann es nicht schaden, hin und wieder etwas Gutes für mein Karma zu tun. Nun komm schon. Strickland hockt in seinem Büro. Er kann ruhig seinen Arsch in Bewegung setzen und zur Abwechslung mal was Sinnvolles tun, solange wir anderweitig beschäftigt sind. Wenn ich dich nicht hinbringe, verläufst du dich noch oder wirst überfallen, auch wenn du glaubst, du könntest auf dich selbst aufpassen.«
Ariane zögerte nur Sekundenbruchteile. Mit Elena mitzugehen war ein Risiko, ganz klar. Aber hierzubleiben war ein größeres.
»In Ordnung. Und d–«
»Hör auf«, unterbrach Elena sie und hob die Hand. »Bedanke dich nicht. Vielleicht fliegst du wieder raus, ehe die Woche vorbei ist. Glaub nicht, dass ich dazu nicht fähig wäre. Wenn du Scheiße baust, wenn du die Presse anlockst, wenn du mir irgendwie auf den Wecker gehst, setze ich dich an die Luft. Und glaub ja nicht, dass dies eine Dauerlösung ist. Wenn du in Charlotte bleiben willst, musst du rasch auf eigenen Füßen stehen und dir selbst eine Unterkunft besorgen. Kapiert?«
Ariane verkniff es sich, über die Schimpftiraden zu lächeln, und nickte. Worte waren nicht so wichtig. Wichtig war, was sich dahinter verbarg. Und bisher sah sie in Elena ausschließlich eine gutherzige Vampirin, was diese jedoch auf keinen Fall –
auf keinen Fall!
– jemanden merken lassen wollte. Damit konnte sie leben.
Elena schaute auf den Matchbeutel. »Das ist alles?«
»Das ist alles.«
»Nur diese eine irre mittelalterliche Waffe?«
Ariane zögerte. »Die Dolche sind in der Umhängetasche. Aber die sind klein.«
»Na toll.«
»Die größeren trage ich am Körper.«
Elena zögerte kurz. »Da … bekommt man ja Angst.«
»Ich weiß das wirklich zu schätzen, Elena.«
Elena verzog das Gesicht, aber nur um den Anschein zu wahren. »Das bleibt unter uns, verstanden? Offiziell bin ich ein ganz harter Knochen. Strickland bezahlt mich dafür, dass ich hier für Ordnung sorge.« Kurz schaute sie Ariane in die Augen, dann schüttelte sie lächelnd den Kopf. »Na komm, Ari. Ich glaube, du brauchst dringend eine Freundin. Wie wär’s mit mir?«
5
Damien stand vor der kopflosen Leiche seines einzigen möglichen Informanten und fluchte.
»Ist er wirklich tot?«
Damien blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Er hätte sich nur zu gern geprügelt. Das würde ihm helfen, endlich den Dampf abzulassen, der sich seit Tagen in ihm aufgestaut hatte, ohne ein
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