Vertraute Schatten
antwortete Ariane.
»Wunderbar.« Diana schien es auch wirklich so zu meinen. »Wir können uns zu meinem anderen Gast ins Konservatorium begeben. Die Götter haben heute offenbar beschlossen, dass ich Gesellschaft brauche. Kommt mit.«
Sie bedeutete ihnen, ihr zu folgen, und ging auf den Westflügel des Hauses zu. Ungewöhnlich schweigsam schritt Damien neben Ariane her. Schließlich sagte er so leise, dass nur sie ihn verstehen konnte: »Das gefällt mir nicht.«
Neugierig schaute Ariane ihn an. Er hielt den Kopf gesenkt und schien besorgt.
»Was denn?«, flüsterte sie. Sie kamen an Zimmern vorbei, in denen schöne Frauen musizierten, malten oder miteinander plauderten. An einem so durch und durch weiblichen Ort war Ariane noch nie gewesen. Aber das war auch nicht verwunderlich. Die Empusae waren die einzige Dynastie, der ausschließlich Frauen angehörten. Alle übrigen hatten Vertreter beiderlei Geschlechts in ihren Reihen.
»Alles. Wir sollten uns lieber auf den Weg und an die Arbeit machen, nicht hier rumsitzen, auf unser Wohl anstoßen und uns gegenseitig vorbeten, wie toll wir sind. Ein ausgemachter Blaublutmist.«
Ariane lachte leise auf, ebenso fasziniert wie empört. »Ach so! Dann ist es wohl vornehmer, wenn man, sagen wir, eine ganze Dynastie erpresst, was?«
Er schnaubte. »Ich erpresse sie nicht. Mormo – oder wer auch immer momentan die Fäden in der Hand hält – bezahlt die Shades gut für ihr Stillschweigen. Wenn dich das so umtreibt, kannst du dich deswegen gern mit Drake anlegen. Weit wirst du damit allerdings nicht kommen, das garantiere ich dir.« Er schaute sich um, offenbar beeindruckt vom Glanz seiner Umgebung. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Schade eigentlich. Ich wusste nicht, dass es so schlimm steht. Wenn sie diesmal wirklich lahmgelegt ist, sind die Empusae dem Untergang geweiht.«
»Sag so was nicht«, murmelte Ariane.
Damien starrte sie irritiert an. »Wieso nicht, Kätzchen? Das ist die Wahrheit. Ich denke, du schätzt meine Aufrichtigkeit?«
Sie konnte ihm nicht antworten, konnte ihm nicht einmal ins Gesicht sehen. Stattdessen hielt sie den Blick starr auf Diana gerichtet, die ihnen vorausging. Er würde sie nur auslachen, wenn sie ihm verriet, was tatsächlich ihr Problem war. Gegen seine Ehrlichkeit hatte sie nichts. Was sie verstörte, war sein völliger Mangel an Empathie. Ariane hatte darüber gelesen, was passierte, wenn Dynastien untergingen. Es war ein hässlicher Vorgang. Ein Teil der Vampire kämpfte und starb im vergeblichen Bemühen, ihre Dynastie zu bewahren, die übrigen wurden in einem schmerzhaften und sehr erniedrigenden Prozess in die siegreiche Dynastie integriert.
Kein Zweifel, dass er das wusste. Vermutlich hatte er so etwas auch schon miterlebt, aber er fühlte … nichts.
Vergiss das nicht, wenn du seine Hände auf deinem Körper spürst
, ermahnte sich Ariane.
Du überlässt dich gänzlich deinem Gefühl, und er empfindet gar nichts mehr, falls er das je gekonnt hat.
Plötzlich erfüllte eine mächtige Klangwolke die Eingangshalle und zerstäubte ihre Grübeleien. Ariane blieb schlagartig stehen und riss die Augen auf. So eine Musik, wild und leidenschaftlich vorgetragen, hatte sie noch nie gehört. Da ließ jemand seine Finger über die Tasten eines Klaviers tanzen, mit jedem Übermaß an Gefühl, das die Grigori so gekonnt eindämmten. Einige ihrer Blutsbrüder und -schwestern konnten mit ihrem Gesang Menschen buchstäblich zu Tränen rühren, aber das war rein technisches Können.
In dieser Musik lag Leidenschaft. Etwas, das die Grigori schon lange nicht mehr kannten … und das sie verzweifelt erlernen wollte.
Diana blieb vor zwei riesigen Glastüren stehen, warf einen Blick ins Zimmer und lächelte. Dann wandte sie sich zu Ariane und winkte sie zu sich heran.
»Ich habe gleich gewusst, wenn ich ihn hier zurücklasse, kann er nicht widerstehen. Komm, wenn du Vlad nicht spielen gehört hast, dann hast du umsonst gelebt.«
»Der Dracul ist hier?«, fragte Damien überrascht.
Bezaubert von der Musik hörte Ariane kaum, was Damien sagte. Sie trat an die Türen, die einen Spalt weit offen standen, und schaute hinein. In der Mitte des Raums befand sich ein gewaltiger schwarzer Flügel, in dem sich das Kerzenlicht spiegelte. Was sie aber völlig in den Bann schlug, war der Mann, der davorsaß.
Er war wunderschön. Anders ließ er sich nicht beschreiben, obwohl »wunderschön« irgendwie zu weiblich klang. Sein Haar war mattgolden und
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