Vertraute Schatten
nach hinten gekämmt. Seine Gesichtszüge wirkten streng und gleichzeitig gefühlvoll, dazu eine spitze Nase und ein Mund, der so aussah, als ob er sowohl grausam als auch unwiderstehlich sein konnte. Obwohl der Mann saß, konnte man sehen, dass er sehr groß war, und der schwarze Anzug betonte perfekt seine breiten Schultern.
All das war bereits hinreichend fesselnd. Die Art jedoch, wie er auf seine Hände blickte, wie sie das Instrument bearbeiteten, ließ Arianes Atem stocken. In diesem Blick lag eine heiße Intensität, die jedes menschliche Wesen, das sich zu nah heranwagen sollte, zum Schmelzen bringen würde.
Als wäre Luzifer persönlich aus Miltons
Verlorenem Paradies
gestiegen, um hier ein Lied vorzutragen.
Als der letzte Akkord verklungen war, hörte Ariane Damien kichern, ehe er an ihr vorbei ins Zimmer trat.
»Himmel, Arsch und Zwirn, Vlad. Alles, was du brauchst, sind ein Glitzerfrack und ein knalliger Kronleuchter.«
Ariane schaute zu Diana, die das Ganze gezwungen lächelnd verfolgte.
»Legt er es darauf an, umgebracht zu werden?«, fragte sie.
»Das frage ich mich öfters«, antwortete Diana, während der umwerfende Pianist grinsend aufstand, um Damien zu begrüßen. »Aber heute Abend besteht keine Gefahr. Vlad mag ihn. Verstehe das, wer will.« Sie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen.
»Auf jeden Fall habt ihr, du und Vlad, mich daran erinnert, dass sich über Geschmack nicht streiten lässt. Komm mit, dann stelle ich dich Vlad Dracul vor.«
11
Damien saß relaxed im Ledersessel und schwenkte sein Glas mit der Mischung aus frischem Blut und ausgezeichnetem Rotwein. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte er sich entspannt. Dass er das ausgerechnet hier schaffen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Hier in diesem Tempel einer sterbenden Königin, während draußen in der Nacht irgendwo ein geflügelter mordlüsterner Geisteskranker lauerte. Aber er hatte gelernt zu genießen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab, und gar nicht erst viele Fragen zu stellen.
Sie alle vier – er, Ariane, Diana und Vlad – saßen gemütlich in riesigen Sesseln vor einem rußgeschwärzten Kamin, der im Winter bestimmt für behagliche Wärme sorgte. Es war unglaublich angenehm.
Die durchsichtigen Vorhänge bewegten sich leicht im Abendwind. Draußen zirpten die Zikaden – Begleitmusik zum Dröhnen der gelegentlich vorbeifahrenden Motorboote. Die Musik war verstummt, aber den Flügel hatte Damien nicht vergessen.
Er hatte selbst einmal ganz gut gespielt, aber nie so virtuos wie Vlad. Manchen Leuten fiel einfach alles in den Schoß.
»Und deshalb«, sagte Vlad gerade, »ist Bram Stoker ein verfluchtes, verlogenes Arschloch.«
Ariane lachte, und die beschwingte Melodie ihres Lachens machte es Damien unmöglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf sie. Auch sie hatte sich offenbar entspannt. Sie hockte auf der Couch und hatte die Füße hochgezogen. Die Schuhe hatte sie zuvor abgestreift, als sie sich unbeobachtet glaubte. Ihm war es jedoch nicht entgangen.
Den Göttern sein Dank, dass die gute Frau keinen blassen Schimmer hatte, dass er sie kaum noch aus den Augen ließ. Oder wie lange er schon den Dolch zu entdecken versuchte, den sie sich garantiert irgendwo mit einem frivolen Seidenband am Oberschenkel befestigt hatte. Nur dass es gar nicht der Dolch war, der ihn interessierte.
Sie stützte sich gemütlich mit einem Arm auf die Couchlehne und schien tatsächlich so glücklich wie das Kätzchen, mit dem er sie so gern verglich. Ihre Frisur hatte sich allmählich aufgelöst, einzelne Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Ihn juckte es in den Fingern, alle Haarnadeln herauszuziehen, sodass ihr auch der Rest über die Schultern fiel.
In ihre Haare war er hoffnungslos verschossen. Ähnlich wie in sie als Ganzes.
Es war seiner Aufmerksamkeit auch nicht entgangen, dass der Dracul nicht minder fasziniert war.
»Und er schreibt ein ganzes Buch darüber, wie Sie abgeschlachtet werden, nur weil Sie ihm kein Interview gegeben haben?«, fragte Ariane. »Da ist gehässig ja noch untertrieben.«
Vlad kicherte. »Na ja, da war einmal das verweigerte Interview, dann aber auch meine Anweisung an sämtliche Gefolgsleute, ihn
nicht
zu verwandeln, sosehr er auch darum bettelte. Meiner Erfahrung nach sind diejenigen, die sich das unbedingt wünschen, als Vampire meist eine einzige Katastrophe.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, sagte Ariane und schenkte ihm ein Lächeln, so warm wie eine Sommernacht.
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