Vertraute Schatten
durchschauen und blindlings in Vlads miese kleine Falle getappt …
»Lass hören«, schnurrte Diana, die aussah wie eine Katze, die sich gerade den Kanarienvogel geschnappt hatte.
Ariane wartete, ruhig, geduldig, gefasst und ohne Ahnung, was da auf sie zukommen würde. Er betrachtete sie kurz, was eine neue Welle der Begierde in ihm auslöste. Keine Begierde nach Blut, sondern nach ihrer Aufmerksamkeit, ihrem Interesse für ihn und nach etwas Intensiverem, für das er keine Bezeichnung hatte, das er weder definieren noch abstreiten konnte.
»Ich habe gehört – kann es aus eigener Erfahrung aber leider nicht bestätigen –, dass die Grigori oft mit wunderbaren Stimmen gesegnet sind. Da habe ich mir gedacht, du könntest uns was vorsingen, Ariane.«
Wie erwartet lief sie puterrot an. Er fragte sich, wie schnell er sie wohl zum Erröten bringen könnte, wenn er auf ihr läge … oder sie auf ihm …
»Woher weißt du das?«, fragte sie.
»Aus den wissenschaftlichen Werken des Professors.« Damien nickte in Richtung Vlad. »Da entdeckt man so viele nutzlose Informationen, dass das eine oder andere automatisch hängen bleibt.« Er bemerkte ihre Unsicherheit und wusste in dem Moment, dass er sie einfach singen hören musste. Nicht wegen Vlad, es war schlicht eine weitere Seite an dieser Frau, die er kennenlernen wollte. Es war verrückt, dass ein so prächtiges Geschöpf so gehemmt sein konnte.
Sie aus der Reserve zu locken, ihr mehr und mehr Geheimnisse zu entreißen schien Damien plötzlich die wichtigste Mission überhaupt zu sein.
»Ich bin es nicht gewöhnt, vor Publikum zu singen«, wand sie sich.
»Ich werde dich begleiten«, sagte Damien. »Früher konnte ich ganz passabel spielen. Inzwischen bin ich völlig außer Übung, sodass gegen meinen Fehler alles andere verblasst.«
»Ja bitte«, kam ihm Vlad zu Hilfe. »Ich habe ihn schon am Klavier gehört. Wir brauchen Ihre Stimme, Ariane, um sein Geklimper zu ertragen.«
Ariane lachte nervös, und Damien konnte sich nur mühsam ein selbstgefälliges Grinsen verkneifen, weil sie weiterhin nur Augen für ihn hatte, nicht für Vlad. Mission erfüllt.
Sie stand auf und strich ihr Sommerkleid über ihren Kurven glatt, die Damien jedes Mal, wenn er sie allzu genau betrachtete, das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Was sehr häufig der Fall war. Hin- und hergerissen zwischen Gewissensbissen und reiner Freude reichte er ihr galant die Hand, und die Berührung löste eine Hitzewelle in ihm aus, die durch seinen gesamten Körper jagte.
»Ganz wie in alten Zeiten«, kommentierte Diana und hob ihr Glas an die Lippen, ohne ihre Neugier zu verbergen. »Sehr, sehr alten Zeiten.«
»Nicht so alt wie du, mein Schatz«, erwiderte Damien schnippisch und schaute dann sofort wieder zu Ariane. Er geleitete sie zum Flügel, setzte sich auf die Bank und blickte zu ihr hoch. Von der Röte war nichts mehr zu sehen, ihr Gesicht war sogar zwei, drei Nuancen blasser als sonst.
»Das wirst du mir büßen«, fauchte sie ihn leise an. »Ich bin keine Unterhaltungskünstlerin.«
»Das ist doch mal eine nette Abwechslung«, antwortete Damien. »Womit wollen wir die beiden quälen, Kätzchen?«
Sie überraschte ihn mit einem Lied, das er aus dem Effeff kannte, ein Stück, das ihn in seiner Zeit als Sterblicher – und auch danach – bei einem geselligen Beisammensein oder auf Partys oft erfreut hatte. Damiens Finger waren tatsächlich etwas eingerostet, erinnerten sich aber dennoch ganz gut an die Notenfolge, und so überstand er das Intro mit nur wenigen Patzern. Einen kurzen Moment fühlte er sich hier, am Flügel, in Gesellschaft und bei Kerzenlicht, zurückversetzt in sein altes Zuhause, als er, umgeben von Leuten, die er mochte, sein ganzes Leben, sein
richtiges
Leben noch vor sich hatte. Bevor er erfuhr, was Finsternis wirklich bedeutete.
Dann begann Ariane zu singen, und ihr erster hoher, lieblicher Ton traf ihn bis ins Mark.
Damien spürte kaum, wie seine Finger über die Tasten flitzten, Vlads verstaubte Forschungsarbeiten wurden dem Gesang der Grigori in keiner Weise gerecht. Allerdings bezweifelte er, dass Vlads Quelle Ariane je hatte singen hören. Sie sang den Text, aber Damien hörte nur ihr Gefühl. Ihre Stimme war erfüllt von einer Sehnsucht, wie er sie nie zuvor vernommen hatte und die er törichterweise bei anderen als sich für unmöglich gehalten hatte. Der Melodiebogen hob und senkte sich, hob sich erneut und steuerte auf eine Note zu, die ihn mitten
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