Verwandte Seelen
wenige Unsterbliche schaffen es, ihr Vertrauen zu gewinnen. Denjenigen, denen es gelungen ist, stehen diese Pferde ihr Leben lang treu zur Seite.“
„Du meinst, sie geben dann ihre Freiheit auf?“
Dexter schüttelte den Kopf. „Nein. Sie kehren immer wieder zu ihrer Herde zurück. Diese Pferde sind in der Lage, über sehr weite Entfernungen hinweg, den Ruf ihres Reiters wahrzunehmen. Aber die meiste Zeit halten sie sich sowieso freiwillig in der Nähe von ihrem Reiter auf.“
Ich hatte gehört, wie Jake seinen Hengst durch einen ganz bestimmten Pfiff herbeirief und dieser dann wie aus dem Nichts auftauchte. Dabei schien es zwischen jedem Unsterblichen und seinem Pferd einen ganz eigenen Zuruf zu geben.
Nachdem ich noch eine Weile darüber nachgegrübelt hatte, ritt ich nach vorn zu Grimmt und Jake. „Wo wollen wir denn jetzt hin?“, fragte ich.
„Zuerst sollten wir zusehen, dass wir alle in Sicherheit bringen“, erwiderte Grimmt mir. „Es gibt einen Ort . . . ein Versteck. In etwa vier Tagen sollten wir dort ankommen. Bis dahin werden wir alles daran setzen, keine Spuren zu hinterlassen. Der Fluss ist zu tief und aufgewühlt, um darin zu reiten. Deshalb bleibt uns nur eine Wahl. Ab morgen werden wir uns in Gruppen aufteilen, viele Fährten in verschiedene Richtungen. Das sollte uns etwas Zeit verschaffen.“
Er sah Jake an, doch der machte keine Anstalten etwas zu sagen.
„Wir setzen große Hoffnung in dich, Sam!“ Jake und ich sind uns ziemlich sicher, dass du Dageus’ Tochter bist. Das Problem ist nur . . . wir wissen noch nicht so recht, wie wir das unwiderruflich beweisen können. Wärst du nur ein normaler Mensch, so hättest du jetzt immer noch einen Verband um deine Hand. Doch du brauchtest trotzdem Jakes Blut für diese schnelle Heilung. Verstehst du, was ich damit sagen will?“
Ich schüttelte irritiert den Kopf.
Grimmt überlegte, bevor er weitersprach. „Du bist sicherlich zur Hälfte eine Unsterbliche, aber doch überwiegend ein Mensch. Es ist nicht gleich offensichtlich, Sam. Da ist die Sache mit deinem Blut und verletzbar bist du auch. Wenn wir Dougal einen Beweis liefern wollen, so haben wir dafür einfach nicht ausreichend Zeit. Er wird nicht zögern, wenn er dich zu fassen bekommt.“ Wieder sah er zu Jake.
„Na toll! Warum dann überhaupt der ganze Aufwand?“ Ich war also doch keine Hoffnung für sie, sondern ihr Verderben.
Grimmt schaute mich fragend an.
„Dann kann ich euch wenigstens helfen, indem ich mich stelle.“
Jake atmete hörbar ein. „Wir werden dich zu meinem Vater bringen“, sagte er schroff, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
„Ja“, erwiderte Grimmt, „Silas wird Rat wissen.“
Wir ritten den ganzen Tag. Erst als die Sonne langsam unterging, stiegen wir von unseren Pferden.
Marlon war inzwischen zu sich gekommen, machte aber immer noch einen benommenen Eindruck. Ich wusste, wie er sich jetzt, da die Wirkung der Betäubungskapsel nachließ, fühlte. Diese entsetzlichen Kopfschmerzen wünschte ich nicht einmal ihm.
Es wurde kein Feuer entfacht und keine Zelte aufgebaut. Wir würden die Nacht also unter freiem Himmel verbringen. Bei dem Lärm, den der Fluss verursachte, konnte ich bestimmt kein Auge zumachen.
Alle ließen sich unter den vereinzelt stehenden Bäumen nieder und stärkten sich. Jake saß wie immer mit Grimmt und Dexter zusammen. Sie waren wie eine kleine Familie. Ich fühlte mich seltsam ausgeschlossen.
Matt und Conner schienen ihren Streit vergessen zu haben und alberten zusammen herum.
Sally setzte sich zu mir. So saßen wir zusammen und teilten uns unser Obst, während sie mich die ganze Zeit neugierig musterte.
„Was läuft da eigentlich zwischen dir und diesem Jake?“
Fragend schaute ich sie an und biss in meinen Apfel.
„Na komm schon, Sam! Ich habe euch schon den ganzen Tag beobachtet. Das sieht doch ein Blinder, dass ihr scharf aufeinander seid.“
Mir blieb der Bissen im Hals stecken. Einige schauten zu uns herüber, da ich mich vor lauter Husten gar nicht mehr einkriegte.
„Was . . . Wie . . . ?“
„Jetzt tu’ doch nicht so! Jake beobachtet dich ständig und du suchst immer wieder seine Nähe. Glaubst du ernsthaft, ich bekomme das nicht mit?“
Ich sah sie fassungslos an. „Nein . . . Wie kommst du denn darauf!?“ Jake beachtete mich nicht im Geringsten. Er hatte mich heute den ganzen Tag wie Luft behandelt.
„Wenn du nicht darüber reden willst, dann lass es bleiben!“ Sie stand auf und ging
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