Verwandte Seelen
doch selbst nicht verstand. Ich konnte all die Gefühle, die sich in mir aufbauten gar nicht richtig deuten. Es waren einfach zu viele. Angst, Zweifel, Unsicherheit, Aufregung, Freude, Hoffnung.
Jake schüttelte bewundernd den Kopf.
„Du hast es bis jetzt jeden Tag geschafft, mich aufs Neue zu überraschen, aber das hier ist eindeutig nicht mehr zu toppen.“ Er faste sich nachdenklich ans Kinn. „Obwohl . . . bei dir kann man nie wissen.“
Lachend hob er mich hoch in die Luft. In seinem Blick lag spürbare Neugierde.
„Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hier eigentlich mit dir passiert. Du warst mehr Mensch, als Unsterbliche. Doch ich habe das Gefühl, das ändert sich gerade.“
11. Gefahr
Nach dem rätselhaften und ereignisreichen Morgen hatten wir uns wieder auf den Weg gemacht.
Unterwegs kamen wir an einem Teich vorbei, den Jake auch gleich dazu nutzte, um uns ein Abendessen zu besorgen. Er verharrte regungslos mit hochgekrempelter Hose im Wasser. Mit bloßen Händen fing er geschickt einen Fisch. Als wir weiter liefen, sammelte er Kräuter, die er für die Zubereitung des Fisches nutzen wollte.
Wir kamen gut voran. Ich ertappte ihn immer wieder, wie er mich fasziniert musterte. Nachdem ich den ersten Schock über die Veränderung, die mit mir vorging, überwunden hatte, fühlte ich mich richtig gut.
Wenn alles gut lief, würden wir schon morgen Früh auf Grimmt treffen. Wie wird er nur auf diese Neuigkeit reagieren? Vielleicht hatte er eine Erklärung dafür, was mit mir vorging.
Ich freute mich schon auf Sally und Conner, ja sogar auf Matt mit seinem ewigen Gequatsche. Doch ich war auch ein wenig wehmütig, da die Zweisamkeit mit Jake zu Ende ging.
An diesem Abend lagerten wir an einer großen Felsformation. Jake hatte den Fisch ausgenommen und mit den Kräutern gefüllt. Wir grillten ihn über dem Feuer. Es war köstlich. Seit Langem fühlte ich mich mal wieder richtig satt.
In dieser Nacht schlief ich tief und fest, ohne Alpträume. Ich ahnte nicht, dass Jake kein Auge zumachte. Er hielt mich fest umschlungen, so als hätte er Angst, es könnte das letzte Mal sein.
Der Gesang der Vögel hallte durch den gesamten Wald und weckte mich. Die Felswände, neben denen wir lagen, gaben ihr Echo zurück. Jake lag noch neben mir. Er stützte den Kopf mit seiner Faust und sah mich auf eine undefinierbare Art und Weise an.
„Hey!“, murmelte ich.
Er antwortete mit seinem unwiderstehlichen Lächeln.
Ich stützte mich auch auf und erwiderte seinen Blick. Mal sehen, wer zuerst blinzelte.
Plötzlich setzte er sich ruckartig auf. Seine Kiefermuskeln spannten sich an. Er signalisierte mir mit seiner Hand, dass ich mich ruhig verhalten sollte und lauschte.
„Da kommen Reiter.“ Hastig sprang er auf.
Ich konzentrierte mich und versuchte angestrengt etwas zu hören, aber da war nichts außer Vogelgezwitscher.
„Bist du sicher?“, fragte ich ihn zweifelnd.
Jake legte den Kopf schief und verzog den Mund, als hätte er jetzt keine Lust, mit mir zu diskutieren.
„Vielleicht ist es schon Grimmt!“
„Nein, dafür sind es zu viele.“
Mit seinen Händen begann er, die teilweise noch glühende Asche unseres Feuers zu zerbröseln. Er wollte die restliche Glut beseitigen. Es war unmöglich, sich dabei nicht zu verbrennen. Doch er schien keine Schmerzen zu haben und seine Hände blieben unverletzt. Wann würde ich mich eigentlich daran gewöhnen, dass ich es hier mit einem Unsterblichen zu tun hatte?
Ich stand auf und half ihm, Moos über die verräterisch schwarze Erde unserer Feuerstelle zu verteilen. Wieder versuchte ich, irgendetwas außer den Vögeln zu hören.
„Ich höre nichts, Jake.“
„Es sind ungefähr vierzig oder fünfzig Reiter. Sie kommen von Westen. In dem Gebiet ist mein Clan zu Hause.“
Er lauschte erneut und begann die Felsformation hochzuklettern.
„Wo willst du hin?“ Ich fühlte mich unbehaglich.
„Versteck dich hier am Felsen, Sam!“ Er drehte sich zu mir um. „Wir können nur hoffen, dass es mein Vater mit seinen Männern ist.“
Jetzt fühlte ich mich nicht nur unbehaglich, sondern ängstlich. Ich setzte mich nah an den Felsen und spitzte die Ohren. Konnten die Vögel nicht mal ihren Schnabel halten!
Ich ließ meinen Blick umherschweifen. Hinter jedem einzelnen Baum vermutete ich jemanden. Da bemerkte ich eine Rauchschwade, die sich aus dem verstreuten Moos ihren Weg bahnte.
Na toll! Zögernd stand ich auf und sah mich abermals um. Fast panisch rannte ich
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