Verwechseljahre: Roman (German Edition)
sie und wandte sich zum Gehen.
»Dass ich AUSZIEHE? «, brüllte ich hinter ihm her.
Zwei hübsche Mädels musterten mich alte Keife, drehten sich nach ihm um, knufften sich in die Seite und kicherten.
Na klar. Das sah nach klassischer Trennung nach dem Urlaub aus: Alte reiche Krähe macht jüngerem Geliebten zum Abschied eine Szene.
»Damit du sie VERSPIELEN kannst?«, schrie ich frustriert.
Roman verschwand durch die Drehtür. Ich war mir nicht sicher, aber gut möglich, dass er mir den Stinkefinger zeigte.
29
Z u Hause schleppte ich meinen Koffer die Treppen rauf. In dem Moment, in dem ich die Wohnung aufschließen wollte, schoss Rainer aus der Nachbartür. Er sah wirklich verändert aus. Schmaler, kurzhaariger irgendwie. Als hätte Sonja ihn halbiert. Das war nicht mehr mein alter knuffiger Rainer!
»Na? Wie war’s?« Abwartend lehnte er fremd im Türrahmen. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt.
»Scheiße«, keuchte ich. Sofort kamen mir die Tränen.
Verdammt, Carin!, hörte ich meine Mutter rufen. Doch nicht vor Rainer! Kannst du nicht mit dem Heulen warten, bis du in der Wohnung bist?!
Rainer tat, was Rainer immer tat. Er sah mich mitfühlend an, trat einen Schritt vor, riss mich in seine Arme und drückte mein Gesicht an seine Brust. Er roch nach einem neuen Aftershave.
Nein!, wimmerte es in mir. »Bitte lass mich los, Rainer!«, sagte ich laut. Mir lief die Nase, und ich wollte nach einem Taschentuch suchen.
»Wein dich aus!« Seine Hand klopfte auf meinen Rücken. »Komm, wein dich ruhig aus!«
»Ich WILL mich aber nicht ausweinen!« Ich versuchte, mich mit aller Kraft zu befreien. »Und ich BIN nicht deine Schnuckelmaus!«
Mein Blick fiel auf die halb angelehnte Tür zum Zimmer meiner Mutter, und ich hörte sie innerlich »Carin?!« rufen. Da musste ich noch mehr weinen. Es schüttelte mich regelrecht, ich schluchzte und schniefte und bot Rainer genau das Bild der Trost suchenden kleinen Frau, die ohne ihn einfach nicht lebensfähig war.
»Ist ja gut. Ich bin ja bei dir«, wiederholte er immer wieder.
Aber das Schlimme war: Ich hatte im Moment wirklich niemand anderen zum Ausheulen! Mutter war tot, und Roman war gemein zu mir gewesen. Aber Rainer war immer zur Stelle.
»Ich muss Pipi«, sagte ich schwach.
Mit großzügiger Geste ließ er von mir ab und erlaubte, dass ich wenigstens meine intimsten Bedürfnisse erledigte. Fast hätte ich mich dafür bedankt.
Schließlich saßen wir auf meinem Sofa. Rainer hatte Tee gemacht und schob mir eine Tasse vor die Brust.
»Mit Honig. So wie du ihn gern magst.«
Ach, das waren so ganz andere Worte als die von Roman! Ich sollte, wollte Rainer doch lieb haben! Wobei ich mir überhaupt nicht sicher war, welche Rolle Sonja denn nun spielte. War sie seine Fitnesstrainerin? Seine Modeberaterin? Seine neue Freundin? Seine neue feste Freundin?
Auf dem Tisch lag ein Stapel Trauerpost, die er anscheinend schon gesichtet hatte. Die Umschläge mit dem schwarzen Rand waren aufgerissen. Bevor ich mich darüber ärgern konnte, strich er mir aufmunternd über die Wange:
»Jetzt erzähl doch mal. Hm? Magst du mir nicht ein Stück weit sagen, was dich bedrückt?«
Oh, wie ich diesen onkelhaften Ton hasste! Ich zuckte zurück.
»Wir sind uns nicht nähergekommen.« Ich umklammerte meine Tasse und pustete in den Tee.
»Das hätte ich dir auch sagen können.« Rainer hatte wieder dieses wissende Lächeln aufgesetzt und kicherte selbstgefällig. »Muttergefühle lassen sich eben nicht aus dem Boden stampfen und Sohngefühle ebenso wenig. Wahrscheinlich noch viel weniger. Er war nur an deinem Geld interessiert.«
»Ja, danke, Herr Professor. Das weiß ich jetzt auch.« Ich zog die Nase hoch.
»Dafür musstet du keinen Urlaub für 5 875 Euro buchen.« Sein überlegenes Lächeln war nicht zu ertragen.
»Wie bitte? Woher weißt du DAS denn?« Ich verschüttete fast meinen Tee.
»Ich hab mir erlaubt, deine Post zu sichten.« Er wies mit dem Kinn auf den Stapel Briefe. »Dabei habe ich aus Versehen den Brief von deiner Bank geöffnet. Beim Anblick des Kontoauszugs habe ich ganz schön gestaunt.«
»Spinnst du?«, herrschte ich ihn an.
»Wie kannst du dem Mann nur deine Kreditkarte überlassen, Carin!« Er stieß ein Schnauben aus. »Wie naiv bist du eigentlich!«
»Meine Kreditkarte? Aber ich habe sie ihm doch gar nicht …«
Meine Gedanken überschlugen sich. Aus Angst vor Taschendieben hatte ich Ausweise und Kreditkarte im Hotel gelassen. Aber Roman
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