Verwechseljahre: Roman (German Edition)
schwänze. »Den hat er von dir, Carin!« Verlegen stupste er mich in die Seite. »Du siehst gut aus! Richtig super!«
Für eine hysterische Alte in den Wechseljahren, wolltest du wohl sagen? Aber ich hatte gar keine Zeit, beleidigt zu schmollen: Erstens wurden wir schon wieder umgerannt, und zweitens wollte ich meinem Sohn in Sachen Selbstbeherrschung in nichts nachstehen. Also holte ich mir einen Salat und gesellte mich wie selbstverständlich zu Roman und seinen Freunden.
Mein Sohn sah mich so freundlich distanziert an wie immer: »Da bist du ja! Ich dachte, du willst heute nichts essen.«
»Natürlich will ich heute was essen«, behauptete ich. Dabei war ich so appetitlos wie noch nie im Leben. Ich stocherte in meinem Salat herum.
»Alles klar, Carin?« Seine schwarzen Augen durchbohrten mich.
»Ja!«, sagte ich. »Alles klar.« Dann biss ich beherzt in eine Tomate und hielt seinem Blick stand.
»Prost«, machte Roman mit seinem Mineralwasser. »Ach so, du trinkst ja lieber Bier. Warte, ich hol dir eins.«
Er erhob sich und verschwand in der Menge. Ich wusste nicht, ob er mich verhöhnte oder ob das ein Versöhnungsangebot sein sollte.
»Freut mich, dass ihr euch so gut versteht«, sagte Gregor und machte sich über seine Hummerschwänze her. »Das ist nicht selbstverständlich bei eurer Vorgeschichte.«
Ich sah auf seine Finger, die die Schale vom Fleisch trennten.
»Nein«, sagte ich leise.
»Und? Genießt du den Urlaub?«, fragte Gregor.
»O ja. Wie Bolle. – Mit so viel netten jungen Männern!« Was für eine Farce war das denn! Und ich spielte schamlos mit!
In dem Moment kam Roman zurück und stellte mir gleich zwei volle Biergläser vor die Nase. »Damit ich nicht so oft laufen muss.«
»Sehr aufmerksam von dir«, gab ich lässig zurück.
Wir prosteten uns zu, der ganze Tisch. Alle hoben das Glas in meine Richtung.
»Auf die coolste Mutter und den coolsten Sohn!«
»Auf die SCHÖNSTE Mutter und den schönsten Sohn!«
»Ja, genau!«
»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!«
»Auf die Nabelschnur«, brabbelte jemand, der schon nicht mehr ganz nüchtern war. »Die niemals zerreißt.«
Schön wär’s, du Hohlkopf!, dachte ich. Du hast ja keine Ahnung.
»Auf einen saugeilen Urlaub!«
»Auf ein saugeiles Golfspiel!«
»Auf Roman, der uns alle abzockt!«
»Seit wir um Geld spielen, ist die Sache erst richtig geil«, sagte Roman, und seine Augen strahlten.
»Ja, aber nur, weil du dauernd gewinnst!«
»Zwölftausend Euro hat er uns heute aus der Tasche gezogen, Carin! Damit habt ihr den Urlaub locker wieder drin!«
Ich erstarrte. Doch alle hatten mächtig Spaß und klopften Roman anerkennend auf die Schulter. Da beschloss ich, mich heute mal so richtig zu betrinken und alles saugeil zu finden.
»Das Leben ist ein Spiel«, rief ich betont fröhlich. (Ob er mir das Geld für den Urlaub wiedergeben würde? Nie im Leben!)
»Dann verdirb es nicht«, sagte Roman schmallippig. »Es sind ja nur noch zwei Tage.«
Der Rückflug nach München verlief schweigend. Roman hatte sich Kopfhörer aufgesetzt und signalisierte mir damit, dass er weiterhin kein Interesse an einem Gespräch hatte. Ich blätterte in einem Flugjournal. Die letzten beiden Tage hatte ich damit verbracht, mit dem netten rastabezopften Markus Fahrrad zu fahren.
»Na?«, hatte er gefragt. »Wie läuft’s mit deinem Sohn?«
Ich hatte nur die Lippen zusammengepresst und den Kopf geschüttelt.
»Mach dir nichts draus!«, hatte Markus mich getröstet. »Hast du noch mehr Kinder?«
»Nein.«
»Das ist natürlich scheiße«, hatte Markus gemurmelt und erst mal heftig in die Pedale getreten. Ich war froh gewesen, nur seinen Rücken zu sehen. Die letzten Tränen hatte der Fahrtwind weggeweht.
Weißt du, wie WEH das TUT?! , wollte ich hinter ihm herschreien. Aber was verstand Markus schon davon? Er war kein Psychologe, aber der Einzige, der sich um mich gekümmert hatte. Gestern Abend hatte ich ihm zum Dank noch hundert Euro zugesteckt.
In München verabschiedete sich Roman plötzlich am Kofferband von mir.
»War ein netter Urlaub. Vielen Dank.«
»Willst du nicht wieder mit – nach Hause?«, fragte ich überrascht.
»So wie sich die Dinge entwickelt haben, wird das wohl nicht mein Zuhause«, sagte er knapp.
»Ja, was hast du denn gedacht? Dass du die Wohnung ERBST? «, brüllte ich hinter ihm her. Ich war so perplex, dass ich meinen Koffer unbeachtet vorbeiziehen ließ. Roman hatte seine Sporttasche schon. Er schulterte
Weitere Kostenlose Bücher