Verwechseljahre: Roman (German Edition)
ihr bloß alle von mir?«
»Dass du Verantwortung übernimmst?!«
Er stieß ein Schnauben aus. »Verantwortung! Das sagt ja genau die Richtige!«
»Hör zu.« Ich straffte die Schultern und atmete tief aus. »Es hat keinen Sinn, dass wir hier weiter Zeit vergeuden und uns gegenseitig etwas vormachen.«
»Was mache ich dir denn vor?«
»Du spielst uns allen ständig etwas vor.«
»Ach. Komm DU mir jetzt nicht auch noch mit diesen Vorwürfen!«
Sein Mund war nur noch ein schmaler Strich. Genau so musste Silke ihn erlebt haben. Genau so.
»Wer spielt denn hier wem was vor?!«
»Du spielst mir und deinen Freunden hier den lässigen Golfurlauber vor«, sagte ich nach wie vor beherrscht. »Es ist durchaus okay, dass ich hier Tausende von Euros lasse …«
Solange es unserer Mutter-Sohn-Beziehung dient, hatte ich eigentlich noch sagen wollen. Solange wir uns endlich kennenlernen. Solange wir uns in die Augen schauen und reden. Das ist mir alles Geld der Welt wert.
Doch er ließ mich gar nicht erst ausreden. »Ach! Der allererste Urlaub von Mutter und Sohn seit dreißig Jahren, und schon werden mir die Kosten zum Vorwurf gemacht!«
»Die müsste ich dir gar nicht vorwerfen, wenn du den Urlaub MIT MIR verbringen würdest«, wurde ich lauter. »Das wäre nur fair!«
»Komm du mir nicht mit Fairness!«
»Anscheinend bin ich für dich nur ein lästiges Anhängsel!«
»So wie ich für dich ein lästiges Anhängsel war!« Er lachte höhnisch. »Das du auf elegante Weise losgeworden bist!«
Mir kamen die Tränen. »Ich habe versucht, dir zu erklären, dass ich dich nie vergessen habe!«, schluchzte ich auf. »Dass ich mich ständig gefragt habe, was du wohl tust, was dich interessiert, was dich ausmacht, was du fühlst, was du denkst, wie es dir geht, ob du geliebt wirst … Ich bin fast gestorben vor schlechtem Gewissen!«
»Heul doch!«, sagte er kaltschnäuzig.
Ich konnte es nicht fassen. Woher hatte er nur diese unglaubliche Kälte? Ich schlug mit der Hand auf die Bettdecke. »Wie gemein du bist, wie selbstgerecht, wie unfair!«
»Ach, das höre ich seit Jahren von meiner Ehefrau! – Toll, dass ihr euch alle gegen mich verschworen habt!«
Obwohl ich es mir so fest vorgenommen hatte, einen kühlen Kopf zu bewahren, hatte sich unser Gespräch schon zum handfesten Streit ausgeweitet.
»Deine Frau Silke ist ein bezaubernder Mensch«, sagte ich aufbrausend. »Du hast sie gar nicht verdient! Sie nicht, und diese entzückenden Kinder auch nicht!«
»Woher willst DU das denn wissen?«
»Weil ich sie besucht habe! Darum!«
»So! Du bist also hinter meinem Rücken bei ihr gewesen!«
»So wie DU hinter MEINEM Rücken bei Alessandro Bigotti gewesen bist!«
Peng! Jetzt flogen aber richtig die Fetzen. Am liebsten hätte ich ein Kissen genommen und es ihm an den Kopf geworfen.
»Weil DU zu feige bist, mit ihm Kontakt aufzunehmen!«
»Weil ER ein bigottes Arschloch ist!«, schrie ich nun wutentbrannt. »Er hat mir die Mafia auf den Hals gehetzt!«
»Na prima! Dann bin ich also der Sohn eines kriminellen, bigotten Arschlochs!«
Ja, das bist du!, hätte ich am liebsten gebrüllt. Stattdessen flüsterte ich kopfschüttelnd: »Ich bin nicht feige. Ich habe mich mein Leben lang den Dingen gestellt. Es hat mich Kraft gekostet, mich von dir zu trennen. Du solltest es besser haben als ich.«
»Oh. Gleich zwei Heilige als Eltern! Da KONNTE ja nichts aus mir werden!«
»Nein, so leicht darfst du es dir nicht machen.« Meine Augen wurden schmal. »Dein Adoptivvater Viktor ist ein wundervoller Mann, und deine Adoptivmutter hat alles für dich getan …«
»Lass meine Eltern aus dem Spiel! Du hast überhaupt kein Recht, über sie urteilen.«
Ich schnaufte. »Aber ich rede doch nur positiv über sie!«
»Das wäre ja auch noch schöner!«
»Sie haben ihr Bestes gegeben und dich mit Liebe überschüttet. Wie bist du nur so ein Mensch geworden?!«
»Wieso? Meine leiblichen Eltern sind a) ein bigottes Arschloch und b) eine feige Drückebergerin.«
Das saß. Er war ein Spieler. Ein guter Spieler. Er WOLLTE um jeden Preis gewinnen. Ich spürte, wie mein Kampfgeist schwand.
»Ich bin keine Drückebergerin!«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor.
»Nicht?« Seine Stimme triefte vor Ironie. »Eine Mutter, die ihr Kind im Stich lässt, ist also KEINE Drückebergerin?«
Es reichte, ich würde mich nicht weiter so von ihm verletzen lassen.
»Roman, hör zu! Ich wollte diesen Urlaub, um in Ruhe mit dir reden zu
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