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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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sehen.«
    »Fein«, sagte ich matt. »Grüß schön.«
    An der Tür drehte sich Rainer noch mal um. »Sonja hat auch ihre Sorgen. Aber sie nimmt meine Hilfe wenigstens an.«
    So. Sonja wusste Rainer also zu schätzen. Inwiefern? Das wollte ich so genau gar nicht wissen. Nach dem jetzigen Stand der Dinge traute ich mich nicht, ihr je wieder unter die Augen zu treten: Mein Sohn hatte sie und ihre Tochter um Geld angepumpt, ja sie mit dieser Fitness- DVD fast in den Ruin getrieben. Er hatte Sonja falsche Versprechungen gemacht und Vivian geschwängert. Ich hatte mich dafür einsetzen wollen, dass er seinen Pflichten nachkam, seine Alimente zahlte. Aber die Einzige, die bezahlt hatte, war ich. Aber am schlimmsten war mein Betrug mit den Briefen: Ich hatte ihr anfangs nur eine Freude machen wollen. Eine FREUDE! Und jetzt musste ich mich der Kuppelei bezichtigen. Wie hätte Mutter gesagt? »Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu.« Ich fuhr mir verwirrt durch die Haare. Ich wollte Rainer niemandem zufügen! Ich wollte ihn nur von der Backe haben!
    Oder war er womöglich ein toller Mann für Sonja? Sah sie ihn mit ganz anderen Augen? Er hatte was Gediegenes. Zuverlässiges. Hilfsbereites. Er war ein Fels in der Brandung. Ließ sich aber gleichzeitig wie Wachs in ihren Händen zu einem neuen Manns-Bild formen. Trotzdem, ich kam mir schäbig vor. Das war nicht fair von mir gewesen. Ich sah überhaupt keine Baustelle mehr, die nicht brannte. Doch, eine!

30
    W ie immer stand Billis Haustür offen.
    »Kopf, klopf!«, rief ich schüchtern und schlüpfte in den Flur.
    Wie immer lagen stapelweise Mäntel, Jacken und Schals herum, und ich stolperte über einen Haufen Schuhe. An der Wand stand Mohairs Kinderwagen mit Lammfell. Aus der guten Stube roch es verführerisch nach frisch gebackenen Keksen.
    Ich streifte die Schuhe ab und ging auf Socken weiter.
    »Klopf, klopf!«
    »Oh, hallo Carin! Da bist du ja wieder!«
    Billi kam mir in Schürze und mit Baby auf dem Arm entgegen. Auf der Nase hatte sie einen Klecks Mehl oder Puderzucker. Vielleicht war es auch Babybrei? Auf dem Sofa saß die Austauschschülerin und schaute fern. Rikki saß am Küchentisch und paukte verbissen Latein. Sie murmelte Deklinationen in ihr Handy und spielte sie dann wieder ab: »-os, -as, -es, -orum, -arum, -orum – Scheiße, man kann sich hier nicht konzentrieren! – Oh, hallo Carin!«
    Wir umarmten uns herzlich, und Mohair streckte die Ärmchen nach mir aus. »Lirum«, sagte sie. »Larum, lorum.«
    »Oh, das Kind kann Latein!«
    Wir lachten herzlich, und der Kloß in meinem Hals verschwand. Augenblicklich fühlte ich mich in dieser chaotischen Großfamilie geborgen. Wie Billi das alles hinbekam! Kinder, Kuckuckskinder, Austauschschüler, untreuer Ehemann, Nebenbuhlerinnen, Praxis, Haushalt! Ich hatte nur EINEN Sohn und EINEN Nachbarn und war schon mit beiden völlig überfordert!
    Vor dem Backofen tauchte ein bebrillter dunkelhaariger Junge auf, der mir seine bemehlte Hand entgegenstreckte: »Hi, I’m Barnie.«
    Ach. Das war der Au-pair-Junge. Er stach gerade die ersten Zimtsterne aus. Billi hatte schon ein ganzes Backblech mit Vanillekipferln ausgelegt, die alle aussahen wie perfekte kleine Halbmonde.
    »Ach, Billi, ich habe dich so vermisst!«
    »Schön, dass du da bist, Carin! Du musst mir alles haarklein erzählen! – Hier, Reni, nimm mal Mohairchen!« Die Austauschschülerin namens Reni übernahm das Kind, während Billi eine Flasche Prosecco öffnete und mich auf die gemütliche Eckbank am Kamin zog: »Nun erzähl schon! Wie war’s?«
    Da gab es nicht viel zu erzählen. »Es war nicht der Renner. Wir haben kein Gespräch zustande gebracht. Einmal sind die Fetzen geflogen, und danach haben wir uns angeschwiegen. Keine Ahnung, wo Roman jetzt abgeblieben ist. Am Flughafen ist er fluchtartig verschwunden, und ich habe ihm unflätige Beschimpfungen hinterhergeschrien!«
    »Er muss tief in der Scheiße stecken«, sagte Billi bedauernd. »Ich wünschte, ich könnte ihm helfen.« Ihr gegenüber war Roman mitteilsamer gewesen, was mich erst recht wütend machte.
    » ICH stecke in der Scheiße. Du kannst MIR helfen! Roman hat das wirklich nicht verdient.«
    Ich erzählte ihr, dass mein Sohn hinter meinem Rücken das Konto abgeräumt hatte. Billi war sprachlos. Dann erzählte ich wutschnaubend von Rainer, der sich in meiner Wohnung wie ein Ehemann der schlimmsten Sorte aufgespielt hatte. Aufgebracht massierte ich mir das

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