Verwechseljahre: Roman (German Edition)
ist auch scheiße schwer, und ich muss mich jetzt konzentrieren!«
Ich sah mich verwirrt um. »Heißt das, demnächst zieht Obelix hier ein?«
»Zu essen haben wir jedenfalls genug«, sagte Billi lachend.
Unglaublich, mit welcher Gelassenheit sie die Wankelmütigkeit ihrer Tochter ertrug.
»Und sind Barnie und sie jetzt ein Paar? Ich meine, nimmt sie die Pille?«, flüsterte ich verschwörerisch.
»Barnie ist schwul«, teilte mir Billi mit einer Selbstverständlichkeit mit, als hätte sie gesagt: »Die Kekse sind fertig.«
Ich klappte den Mund auf und wieder zu. Billi zuckte die Achseln. »Seine Gasteltern können das nicht akzeptieren, also wohnt er bei uns.«
»Wie schaffst du es nur, so großzügig sein?« Ich runzelte die Stirn. Ganz zu schweigen davon, wie großzügig sie Rudi gegenüber war! Aber das erwähnte ich lieber nicht.
»Ach, das bin ich so gewöhnt. Früher haben sie mir Mäuse, Katzen, Schildkröten und streunende Hunde angeschleppt. Jetzt sind es Jugendliche jeder Couleur. Ist doch nett!«
Ich holte ein paarmal tief Luft. Wie konnte ich sie in dieser Situation noch mit meinen Sorgen belästigen?
In dem Moment stürmte der fünfzehnjährige Tobi in die Küche, küsste Billi auf die Wange und begrüßte mich mit kieksender Stimme: »He, Carin! Du siehst Hammer aus! Warst du in Urlaub? Und wo ist Roman?«
»Ähm …«, sagte ich, doch die Antwort ging zum Glück im allgemeinen Trubel unter.
Er hatte noch zwei Burschen im Fußballdress dabei, die sich die Schuhe vor der Tür abstreiften und strumpfsockig ins Wohn zimmer kamen. Augenblicklich roch es nach krankem Panther.
»Nehmt euch Kekse«, sagte Billi. »Wollt ihr Wasser oder Saft?«
»Lieber ein Bier«, sagte Tobi grinsend. Und zu seinen Freunden: »Wollt ihr auch eins?«
Billi schlug mit dem Küchenhandtuch nach ihm. »Sonst noch was?«
Die Burschen rissen Kekse und Saftflaschen an sich und stürmten laut wiehernd hinaus.
»Hätte ich meiner Mutter so etwas gesagt, stünde ich jetzt nicht mehr lebend hier«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Ach, das sind im Grunde ganz liebe Kinder«, meinte Billi lässig. »Die ziehen halt gern eine Show ab, wenn Besuch da ist.«
»Du willst jetzt aber nicht behaupten, dass sie lieb sind, wenn KEIN BESUCH da ist?«
»Dann sind sie noch frecher.« Billi strahlte. »Rückgrat stärken, nicht Rückgrat brechen. Mütter sind so.«
Ich starrte sie wortlos an.
»Oh, ich wollte dich nicht verletzen!« Billi legte mir die Hand auf den Arm. »Tut mir leid.«
»Das braucht es nicht! Ich will nur wissen, was ich falsch mache«, sagte ich leise und dachte an Roman. »Ich meine, du gibst und gibst – und was kriegst du dafür zurück?«
Billi hatte dieses Leuchten in den Augen. »Das darfst du nie erwarten«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. »Dass du das eins zu eins zurückbekommst. Du liebst sie und machst es gern für sie.«
»Bei deinen eigenen Kindern sehe ich das ja noch ein, aber bei fremden …?!«
»Weißt du, ich glaube, sie werden alle durch ihre Zeit hier bei uns geprägt. Ich bin davon überzeugt, dass sie mir in Zukunft aus allen Ecken und Enden der Welt positive Energie schicken werden.«
Eine Welle der Zuneigung überflutete mich. Ja, sie hatte recht. Auch mich prägte sie mit ihrer Gastfreundschaft, Toleranz und Güte. Ich würde ihr immer positive Energie schicken!
»Nur bei Rudi habe ich Grenzen gesetzt«, fuhr sie fort. »Der wohnt jetzt im Souterrain.« Sie strahlte mich an. »Überleg doch mal: Ich lebe in der schönsten Villa der Stadt, mit Seegrundstück, eigenem Boot und allem, wovon eine Frau träumt. Nur weil Rudi spinnt, ziehe ich doch nicht aus!«
»Nein«, sagte ich matt.
»Die Kinder und ich, wir genießen das große Haus. Wenn also einer geht, dann Rudi. Den Leuten hier im Ort und besonders den Patientinnen spielen wir natürlich weiterhin heile Welt vor. Aber solange er mit seiner Stewardess rummacht, kommt er mir nicht mehr die Treppe rauf.«
Sie zeigte auf ein Laufgitter, das vor der Kellertreppe angebracht war.
»Ich dachte, das ist für Mohair«, sagte ich.
»Von oben ist es für Mohair, von unten für Rudi.«
Da die Praxis ebenfalls im Souterrain lag, war die Lösung einleuchtend.
»Und – deine Doktorarbeit?«
»Wächst und gedeiht«, sagte Billi stolz. »Ich hab mich noch nie so gut gefühlt!«
»Und der Doktorvater?«
»Pssst!«, machte Billi und wurde rot. »Er ist zwölf Jahre jünger als ich, und wir – ähm – arbeiten sehr gut
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