Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
Fast schon blau!«
    Ich erschrak. Also diese Begriffe, die Sonja da verwendete … Aber ich konnte ihr das in diesem Moment unmöglich sagen. Ich musste sie aufbauen. »Na prima«, versuchte ich es halbherzig. »Die sind aus ganz dickem Material. Ähm. Hab ich zumindest mal gelesen.«
    »Ich will keine krisseligen blauen Haare«, heulte Sonja.
    »Aber das ist mal was Besonderes«, beschwichtigte ich sie. »Mädels. Anderes Thema. Ich habe sensationelle Neuigkeiten. Nie werdet ihr raten, wer mich am Wochenende …«
    »Ich will nicht besonders, sondern gut aussehen!«
    »Soll ich euch mal erzählen, was mir Unglaubliches passiert ist …« Ich zog meine Flasche Prosecco aus dem Nylonbeutel und wollte die Oliver-Bombe platzen lassen. »Nicht nur Billi wird gerade Oma, sondern …«
    »Das sind verdammt noch mal Negerhaare!«, beharrte Sonja, die dieses Thema noch nicht als beendet ansah. »Die haben mir glatte Inderhaare versprochen, und jetzt habe ich eine Afrokrause! Für zweitausend Euro!«
    In meiner Verzweiflung fing ich an zu singen: »Was ich euch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette …« Ich fummelte schon das » letzte Glas im Steh’n« aus meinem Nylonbeutel, als Vivian mit einer großen Büroschere vor Sonja herumfuchtelte.
    »Komm, Mama, Augen zu und durch!« Sie kaute Kaugummi.
    »Meine Mutter hat immer gesagt, ich hätte Haare wie fauliges Stroh«, heulte Sonja. »Und jetzt hat sie sogar recht!«
    O Gott. Jetzt fing DIE Arie wieder an. Diese MUTTER!
    » NIE war ich hübsch genug für sie, IMMER war ich ein Trampel, mit einem Hintern wie ein Brauereipferd!«
    Sonjas Mutter schien wirklich ständig verbal um sich geschossen zu haben. Und zwar mit der Schrotflinte!
    »Nun mach mal halblang!«, mischte ich mich ein.
    »Gute Idee«, sagte Vivian und klapperte mit der Schere.
    Wir zuckten zusammen, denn in diesem Moment flog mit einem lauten Knall die Tür auf, und Billi kam herein. Mit einem winzigen Bündel im Arm.
    Vivian und ich ließen sofort von der heulenden Sonja ab: »Oooooohhhh!! Wie süüüüüß!«
    »Ist es das?!«, fragte ich überflüssigerweise.
    »Nein, es ist das Stallkarnickel von nebenan!« Billi knuffte mich grinsend in die Seite. »Was dachtest du denn?«
    »Wann ist es auf die Welt gekommen?«
    »Wie heißt es?«
    »Wie schwer, wie groß, wie lang?«
    Billi bahnte sich einen Weg zu Sonja, gab ihr einen Kuss auf die Wange, ließ sich auf die Umkleidebank fallen und hob die Decke.
    Oh. Wir starrten auf das Baby. Es war winzig und süß und kaute an seinem Fäustchen und alles, und es erinnerte mich auch bittersüß an Oliver. Aber – es war ziemlich dunkelbraun.
    »Das ist ein Negerkind«, stellte Vivian kaugummikauend fest.
    Betretene Stille.
    »Das ist ein Kind mit schwarzafrikanischen Wurzeln«, wandte ich politisch korrekt ein.
    »Ich dachte, das ist von Rikki?«, schluchzte Sonja unter ihrer Sauerkrautfrisur.
    »Und von Fabi«, fügte ich der Vollständigkeit halber hinzu. »Dem netten Jungen, der dir immer den Abfall runterbringt.«
    »Und mit dem Computer hilft«, sagte Vivian und machte große Augen.
    »Genau«, erwiderte Billi. »Das dachten Rudi und ich auch.«
    Und dann erzählte sie uns alles über die Geburt. Rikki hatte aus im Nachhinein verständlichen Gründen lieber in München entbinden wollen und nicht in der Kleinstadtpraxis ihres Vaters. Deshalb war sie mit ihrem großen Bruder Robbi in die Uniklinik gefahren, als die Wehen einsetzten. Und dann, am Samstag, genau in dem Moment, in dem auch mein Leben eine entscheidende Wendung nahm, war es endlich so weit: Sie rief ihre Eltern an und bestellte sie stolz in die Uniklinik. »Ihr könnt euer Enkelkind bewundern. Es ist gesund und ein Mädchen.«
    Rudi und Billi setzten sich sofort in ihre große Familienkutsche und reisten an. Billi hatte sich in ein großmütterliches Trachtengewand mit Silberbrosche geworfen und Rudi in seine Krachlederne und Joppe mit Hirschhornknöpfen. Dazu trug er mit großväterlichem Stolz seinen Jägerhut mit Gamspinsel oben drauf. Großer Auftritt. Trommelwirbel. Es bebte der Rasierpinsel auf großväterlichem Haupt.
    Rikki hob huldvoll die Decke.
    Rudi und Billi starrten den Säugling an, der aus schwarzen Knopfaugen zurückstarrte.
    »Is dat nich wat dunkel?« Billi kam ursprünglich aus Unna bei Dortmund. Vor lauter Verblüffung nahm sie ihren Dialekt wieder an.
    »Is wat dunkel, wollnech?« Ein unsicherer Seitenblick auf Rudi, ihren Gatten.
    »Kann sein«, sagte Rikki.
    »Das könnte

Weitere Kostenlose Bücher